Die Reisen des Paulus by Ernle Bradford
Autor:Ernle Bradford [Bradford, Ernle]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Paulus begann nicht schlecht. »Ihr Männer von Athen, ich sehe, daß ihr in allen Stücken gar sehr die Götter fürchtet …« Das ließen sie sich eingehen, obwohl es einen An-strich von Gönnerhaftigkeit hatte; und das ihnen, den Erben von Sokrates, Platon und Aristoteles – um nur einige wenige Namen aus dem gewaltigen geistigen Vermächtnis zu nennen. Und jetzt sprach er von einem Altar, der »dem unbekannten Gotte« geweiht war. Nichts Ungewöhnliches, solche Altäre gab es öfter. Und es bedeutete lediglich, daß man nicht eine Gottheit beleidigen wollte, die vielleicht bei der Errichtung von Altären in dieser oder jener Stadt vergessen worden war. Er verehrte also diesen unbekannten Gott?
Seltsam. Sehr seltsam. Und jetzt sagte er, dieser Gott, sein Gott, habe die Welt geschaffen und gebiete über das Universum. Nichts Neues. Er hatte wohl auch einmal die gro-278
ße Hymne des Kleanthes gelesen: »Ruhmreichster der Unsterblichen, oh, Zeus der vielen Namen, allmächtig du und ewig, der Herrscher der Natur, der du alles dem Gesetz ge-mäß lenkest …« Wie? »Gott … wohnt nicht in Tempeln«
– das brauchte er ihnen nun wirklich nicht zu sagen. Ihre Ahnen mochten das geglaubt haben, aber sie wußten, daß die Tempel nur Glaubens Symbole waren und die Standbilder und Malereien darin nur Trost und Beruhigung für die Massen. Also zur Sache! Was hatte er ihnen Neues zu sagen? Ah, jetzt, endlich. Es würde ein Gerichtstag kommen, und die ganze Welt würde gerecht von einem Mann gerichtet werden, den dieser Gott auserwählt habe. Unglaublich. Unglaublicher noch, daß dieser Richter auf Erden gewandelt und von den Toten auferstanden war! Zuviel des Guten. Wer bis dahin nur gegähnt hatte, brach in schal-lendes Gelächter aus. Zeitverschwendung, nichts als Zeitverschwendung, hierherzukommen und diesem ignoranten, arroganten, völlig irrwitzigen Marktschreier sein Ohr zu leihen. Aber trotzdem, sie waren Athener. Selbst wenn sie ihm nie wieder lauschen wollten, mußten sie ihm, dem Fremden, die übliche Höflichkeit erweisen: »Wir wollen dich davon ein andermal hören …« Was in Anbetracht des geistigen Klimas in Athen wirklich überrascht, ist die Tatsache, daß nicht alle skeptisch waren. Als Paulus den Areopag verließ, folgten ihm einige, die mehr über diesen Glauben erfahren wollten. Unter ihnen befanden sich ein Mitglied des Rats von Athen, Dionysius, und eine Frau namens Dama-ris. Er hatte nicht umsonst in der intellektuellsten Stadt der Welt zu den Klügsten gesprochen. Aber einen großen Erfolg kann man das nicht nennen. Wenn er mehr Erfolg ge-279
habt hätte, wäre er wohl länger in Athen geblieben, aber so
»schied Paulus von Athen und kam nach Korinth«. Diese kurze Feststellung ist ein Zeugnis der Ablehnung.
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Korinth, die alte Rivalin Athens, war – zumindest in der griechischen Mythologie – die Heimat der Zau-berin Medea, des Sisyphos, der seines habgierigen Lebens wegen dazu verurteilt wurde, im Hades für alle Ewigkeit einen Stein hügelan zu rollen, und des Bellerophon, der versuchte, auf seinem Flügelroß Pegasus zum Himmel aufzu-steigen. Der Überlieferung nach galt Korinth als Wiege der Seemannskunst und des Handels. Hier wurde die Trireme erfunden. Und besonders in Korinth hatte der Handel mit den Ionischen Inseln, mit Sizilien und Italien geblüht.
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