Die Raubritterin by Kari Köster-Lösche

Die Raubritterin by Kari Köster-Lösche

Autor:Kari Köster-Lösche [Köster-Lösche, Kari]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
veröffentlicht: 2015-08-27T16:00:00+00:00


KAPITEL 12

Die Weihnachtsfeiertage verstrichen, ohne dass Johanna die Gelegenheit gehabt hätte, ihrem Ziel auch nur einen Schritt näher zu kommen. Sie war zutiefst enttäuscht, als sie allmählich verstand, dass es zu dieser Jahreszeit im Stadthaus einsam zuging, ganz im Gegensatz zur Burg, wo sich jetzt fahrende Sänger aus allen Gegenden der Welt aufhielten und Neuigkeiten verbreiteten.

Trotz dieser Enttäuschung tat Johanna still, was man ihr befahl, hielt sich aus den Streitereien heraus, die Martha anzettelte, und beobachtete im übrigen soviel wie möglich, um zu verstehen, wie der Stadthof funktionierte.

Er hatte weitaus mehr mit einem Handelsunternehmen zu tun als mit einem Kloster. Vater Lorenz war den ganzen Tag mit der Registrierung der Handelswaren beschäftigt, die hier eingelagert waren. Aber er war nicht schnell genug. Johanna wurde Zeuge, wie er vom Hofmeister getadelt wurde, der endlich einen Überblick haben wollte. Vater Lorenz fragte Gottfried daraufhin schmollend, warum man denn auch aus einem guten Konversenmeister partout einen schlechten Schreiber machen wolle.

Johanna stahl sich ganz vorsichtig von ihrem unbeabsichtigten Horchposten davon. Sie mochte Lorenz gern, und er hätte sich gewiss gegrämt, wenn er gewusst hätte, dass sie seine Schwäche kannte. Kurze Zeit später sah sie ihn auf Knien vor dem Altar in der Kapelle.

»Könntest du mir helfen, Johanna?« Vater Lorenz betrachtete entmutigt die Wachstafel in seiner Hand. »Der frühere Hofmeister hatte offenbar alles im Kopf. Meiner ist nicht so hell. Ich muss Buch führen, um eine Übersicht zu bekommen. Du müsstest eigentlich schreiben können, oder?«

»Nicht besonders gut«, bekannte Johanna und bedauerte ihr Versäumnis zutiefst. Schließlich war sie nicht darauf vorbereitet worden, dass sie einstmals zwischen dem Aufzeichnen von Handelsware und dem Fegen der Fußböden zu wählen hätte. »Aber ich will es gern versuchen.«

»Fein!« Lorenz strahlte Johanna an. »Worauf warten wir?«

So begann Johannas Lehrzeit. Sie war erstaunt, wie vielfältige Handelsprodukte im Hof gelagert wurden. Außer der Grangie im Wald gab es noch eine weitere Grangie bei Wiesbaden, die vor allem Lederwaren für die Frankfurter Märkte lieferte. Aus Eppstein selbst bezogen die Mönche die Waffen. Als sie eines Tages erstmals die Waffenkammer betrat, die durch zwei Schlösser gesichert war, sperrte sie den Mund auf.

Die Kammer enthielt alles, was das Herz begehrte, jedenfalls das Herz eines Ritters. Ihr stockte fast der Atem, als sie einen Malchus im Regal fand. Ihre Hand streckte sich wie von selbst danach aus. Er trug das Meisterzeichen der Ennelin.

»Alles für den Frühjahrsmarkt in Frankfurt bestimmt«, erläuterte Vater Lorenz bereitwillig, dem Johannas Wissbegier Freude machte. »Schneide dich nicht. Die Dinger, wie auch immer sie heißen, pflegen scharf zu sein.«

»Gewiss nicht. Ich bin vorsichtig mit den Dingern«, beteuerte Johanna gehorsam und schlug ihre Schreibtafel auf.

»Gute Handwerksarbeit, scheint mir, sehr sauber geschmiedet, obwohl ich von Waffen so gut wie gar nichts verstehe.«

Jedenfalls der von der Ennelin, die anderen vier weniger, dachte Johanna und schrieb sorgfältig mit, was Vater Lorenz ihr diktierte. Mit einer kleinen Ausnahme.

»Lange Bauernmesser«, sagte er. »Fünf Stück.« Johanna verzeichnete vier lange Bauernmesser.

Mit Beginn der ersten Feldarbeiten im Lorsbachtal kamen auch die ersten Besucher in das Stadthaus, Kaufleute, die das schlechte Wetter nicht scheuten, und Ritter mit unbekanntem Auftrag.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.