Die Rache des Normannen by Ulf Schiewe

Die Rache des Normannen by Ulf Schiewe

Autor:Ulf Schiewe [Schiewe, Ulf]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Fiction, Historical
ISBN: 9783426422830
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2014-06-25T22:00:00+00:00


Am Abgrund

In späteren Jahren sollte mir dieser verhängnisvolle Tag als der Dritte des Monats Juni in Erinnerung bleiben. Ein bedeutsamer Tag für jene, die sich cronista nennen und alles Wichtige, das in der Welt geschieht, auf Pergament festhalten. Damit es nicht in Vergessenheit gerät und hoffentlich auch, um aus den Dummheiten anderer zu lernen.

Im Augenblick hatten wir jedoch ganz andere Sorgen. Jäh aus einem halb wachen Dämmerschlaf gerissen, zählten nur die bedrohlichen Hornrufe, die von nah und fern zu den Waffen riefen und das ganze Haus in Unruhe versetzten, wie man an den ängstlichen Stimmen im Treppenhaus und in den Gängen erkennen konnte.

Auch Fulko war sofort hellwach, denn die alte Kriegerseele in seiner Brust war immer noch lebendig, auch wenn er sich jetzt Christenpriester nannte. Er sprang aus dem Bett und spähte aus dem winzigen Fenster unserer Kammer in die Morgendämmerung hinaus. Doch mehr als der verschlafene Wald auf den Hängen des Monte Bonadies hinter dem Palazzo war von hier aus nicht zu sehen.

Die Wasserkanne blieb unberührt. Wir nahmen uns nicht die Zeit, den Schlaf aus den Augen zu waschen. Fulko hatte schon sein Priesterhabit übergeworfen. Auch ich kleidete mich hastig an. Beinlinge, Tunika und Stiefel. Während weiter die Hörner dröhnten, zwängte ich mich in das dicke, gefütterte Lederwams, das man unter dem Panzer trägt. Ich biss die Zähne zusammen, denn meine Wunde schmerzte. Fulko entwirrte mein Kettenhemd, das irgendwo auf dem Boden gelegen hatte, und half mir, es überzustreifen.

»Mann, du stinkst in dem verdammten Panzer.« Er hielt sich die Nase zu. »Bin ich froh, dass ich so was nicht mehr tragen muss.«

Er hatte recht. Der viele Schweiß, den man beim Waffendrill und in der Hitze des Sommers vergoss, wurde von Leder und Wattierung aufgesogen, wo es mit der Zeit Gerüche entwickelte, die einem Ziegenbock zur Ehre gereicht hätten.

»Erzähl mir nichts«, rief ich, damit beschäftigt, in aller Eile meinen Schwertgurt umzulegen. »In Wirklichkeit zuckt es dir doch in den Fingern und es ärgert dich, dass du deine Waffen verkauft hast.«

»Mir juckt gar nichts in den Fingern. Ich will gerne für dich beten. Aber kämpfen? Das kommt für mich nicht mehr infrage. Und das Geld, das ich für die Waffen bekommen habe, ist an die Armen gegangen.«

»Wie edel von dir«, spottete ich.

Seltsam, dass wir trotz des Alarms so ruhig miteinander redeten. Wie zwei Veteranen, die nichts mehr anfechten kann. Mein Blick fiel auf die Satteltaschen, in denen sich außer Geld meine ganze Habe befand, auch das lederne Büchlein, das ich erstanden hatte. Ich zögerte, dann nahm ich es in die Hand. Der Rest konnte hierbleiben. Damit würde ich mich nicht belasten. Erst mal sehen, was der ganze Aufruhr überhaupt zu bedeuten hatte.

»Was hast du da?«, fragte Fulko und sah mich seltsam an.

»Nichts«, erwiderte ich und steckte das Büchlein zu meinem Geld in die Gürteltasche.

Ich setzte den Helm auf, zog den Riemen fest und stülpte mir die eisenbewehrten Kampfhandschuhe über. Dann nahm ich meinen langen Schild und hängte ihn am Schildriemen über den Rücken. Fulko war schon aus der Kammer heraus. Ich folgte ihm eilig, und beide stürmten wir die Treppe hinunter.



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