Die Poison Diaries by Wood Maryrose

Die Poison Diaries by Wood Maryrose

Autor:Wood, Maryrose [Wood, Maryrose ]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-10-402422-6
Herausgeber: Fischer E-Books
veröffentlicht: 2012-09-03T22:00:00+00:00


Kapitel 11

Im ersten Licht der Morgendämmerung verlassen wir leise das Haus. Vater schläft noch. Wenn er aufwacht und merkt, dass wir fort sind, wird er dann schlecht von uns denken? Doch unwillkürlich finde ich die Antwort in meinem Herzen: Es spielt keine Rolle, was Vater denkt.

Weed sagt nicht, wohin er mich bringen will. Aber abgesehen von der frühen Stunde unterscheidet sich dieser Spaziergang in nichts von jedem anderen. Wir erreichen eine Wiese, nicht allzu weit vom Haus entfernt, und setzen uns in das taubenetzte Gras. Ohne sich um die Nässe zu kümmern, legt sich Weed auf den Rücken, drückt seinen ganzen Körper gegen die Erde.

Ich lasse mich neben ihm nieder. Die Kälte des Bodens verursacht mir eine Gänsehaut. Vielleicht liegt es auch an meiner unruhigen Erwartung. Was für eine schreckliche Wahrheit will er mir eröffnen? Muss ich mich fürchten? Vielleicht, aber meine Neugier und meine Erregung sind stärker als meine Angst.

Endlich spricht Weed.

»Auf unserem Spaziergang, hast du da das Gras gesehen?«, fragt er. »Die Bäume? Den Löwenzahn? Die Rapsfelder?«

»Ja, gewiss.«

»Kannst du sie hören?«

Er muss das sanfte Rauschen meinen, wenn der Wind durch das Gras fährt oder mit den Blättern spielt. »Ja«, erwidere ich. »Wenn der Wind weht, dann höre ich sie.«

»Aber du hörst sie nicht in Worten, nicht wahr?«

»Nein, natürlich nicht.«

»Ich schon«, sagt er. »Ich höre alles, was sie sagen.«

»Ich verstehe nicht …«

Er hebt die Hand, um mich zum Schweigen zu bringen, und stützt sich auf einen Ellbogen. »Schau dort drüben, in den Schatten unter der Hecke. Siehst du die Blätter, die sich wie eine Matte ausbreiten, das frische Grün, das schon bald mit Blüten übersäht sein wird?«

»Das ist Fingerhut«, sage ich und richte mich ebenfalls ein Stück auf. »Vater schickt mich manchmal aus, um die Blätter zu sammeln. Sie sind ihm nützlich bei seiner Arbeit, und die wilden Pflanzen sind besser als die, die in unserem Garten wachsen.«

»Sie mögen nicht gezähmt werden, das stimmt.« Er legt den Kopf schräg, als würde er lauschen. »Und sie sind sehr eitel, wenn sie in voller Blüte stehen.« Er duckt sich leicht, als ob er getadelt worden wäre. »Wozu sie auch das Recht haben, wie sie mir soeben mitgeteilt haben.«

Treibt Weed ein Spiel mit mir? Ich drehe mich so, dass ich ihm ins Gesicht sehen kann. »Was sagen sie jetzt?«

Zögernd erwidert er meinen Blick. »Sie sagen, dass sie dich kennen. Du hast oft hier in ihrer Nähe gelegen, in den Armen des Wiesengrases. Ich sei hoffentlich nicht eifersüchtig, sagen sie. Und sie finden dich sehr hübsch. Zu hübsch.« Wieder lauscht er. »Jetzt werden sie unhöflich. Es scheint, als ob nun sie eifersüchtig werden. Du solltest in naher Zukunft keine Blätter pflücken; du würdest vermutlich einen Ausschlag bekommen.«

Er ist verrückt, denke ich unglücklich. Das ist ein wahrhaft teuflisches Geheimnis. Es sei denn … es sei denn, es stimmt, was er behauptet – und wenn das der Fall ist … lieber Gott, was würde Vater zu einer solchen Macht sagen? Das Wissen direkt von der Natur selbst zu erfahren! Aber weiter kann ich nicht denken.



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