Die Pianistin by Beate Rygiert

Die Pianistin by Beate Rygiert

Autor:Beate Rygiert
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau digital
veröffentlicht: 2020-03-15T00:00:00+00:00


13. Kapitel

Bougival, Berlin und Leipzig:

Juli 1839 bis August 1840

Es waren unbeschwerte Wochen, und Clara konnte sich nicht erinnern, jemals so entspannt und mit sich selbst im Reinen gewesen zu sein. Seit sie in Bougival wohnte, beunruhigte es sie weit weniger, dass sie bislang in Paris nicht den Erfolg verzeichnen konnte, den sie sich wünschte. Meine Güte, sie war noch nicht einmal zwanzig Jahre alt. Das Leben lag vor ihr, wenn sie heute Paris nicht erobern konnte, dann eben in einigen Jahren. Während sie mit Henriette und Emilie in dem Boot auf dem Fluss dahinglitt, konnte sie das alles einfach vergessen, ja, sogar der immerwährende Zwist zwischen ihr und ihrem Vater quälte sie weit weniger, obwohl seine Sturheit natürlich nach wie vor ein Problem darstellte. »Kommt Zeit, kommt Rat«, sagte Henriette, die voller solcher Weisheitssprüche war. Zum ersten Mal seit Clara denken konnte, gab es niemanden in ihrer Nähe, der sie zu etwas drängte, der sie maßregelte, dem sie genügen musste und der die Messlatte so unerreichbar hochlegte. Ihr wurde bewusst, dass sie seit ihrem fünften Lebensjahr beständig darüber besorgt gewesen war, was ihr Vater von ihr hielt, seit jenem Tag, als ihre Mutter Mariane sie an ihn hatte übergeben müssen. Damals hatte man ihre zarten Wurzeln brutal ausgerissen, und der Versuch, diese im Herzen ihres Vaters neu zu verankern, dauerte im Grunde bis in die Gegenwart an. Lange Zeit hatte sie geglaubt, es sei ihr gelungen. In diesen Tagen im tanzenden Sonnenlicht an den Ufern der Seine wurde ihr klar, dass das nicht der Fall war. Nur durch ihr Klavierspiel hatte sie sich die Illusion erkauft, geliebt zu werden. Was wäre denn gewesen, wenn sie kein Talent zur Pianistin gehabt hätte? Vielleicht hätte Friedrich Wieck sie recht bald wieder zu ihrer Mutter zurückgeschickt. Wie wohl dann ihr Leben verlaufen wäre?

Und so nahm sie es gelassener, als sie es sich jemals hätte vorstellen können, als Robert ihr durch einen Anwalt die Vollmacht nach Paris sandte, die sie unterschreiben musste, damit der Prozess zur Durchsetzung ihrer Eheschließung beim Leipziger Gericht eingereicht werden konnte. Sie erledigte das während einer ihrer Unterrichtstage in Paris. Dem Ganzen war noch eine ganze Reihe von widerwärtigen Briefen ihres Vaters vorausgegangen, der wohl immer noch glaubte, sie manipulieren zu können. Dass ihre Unterschrift unter dem Dokument sie endgültig mit ihrem Vater entzweien würde, war ihr klar. Doch das Maß war nun voll. Selbst ein letztes Versöhnungsangebot, das sie und Robert an ihn gerichtet hatten, war von ihm unbeantwortet geblieben. Die Zeit war reif.

»Und wenn das Gericht gegen euch entscheidet?« Es war Emilie, die diese Frage stellte. Sie saßen im Garten im Schatten des Pavillons und nippten an dem englischen Tee, den Clara von ihren Schülerinnen geschenkt bekommen hatte.

»Das wird es auf gar keinen Fall«, erwiderte Henriette empört.

»Dich habe ich nicht gefragt«, konterte Emilie kühl. Clara war bereits aufgefallen, dass zwischen ihren Freundinnen nicht immer eitel Sonnenschein herrschte. Dennoch war es das erste Mal, dass die Differenzen so offen ans Tageslicht drangen.

»Robert hat sich bei seinem Anwalt erkundigt«, antwortete Clara ruhig und tat so, als habe sie den kurzen Wortwechsel nicht bemerkt.



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