Die Pension am Deich: Frauenroman by Sigrid Hunold-Reime

Die Pension am Deich: Frauenroman by Sigrid Hunold-Reime

Autor:Sigrid Hunold-Reime
Die sprache: de
Format: mobi
ISBN: 9783839212745
Herausgeber: Gmeiner
veröffentlicht: 2012-02-13T16:03:32+00:00


Kapitel 13

Anne allein unterwegs

Für einen Augenblick bleibt sie stehen und blickt über das Wattenmeer. Es leuchtet in einer Palette aus warmen Beigetönen, hier und da ein sanftes Blau, sogar Rosa. Seine Schönheit ist überwältigend. Weiter hinten erkennt man das Meer. Es scheint sich mit dem Himmel zu verbinden. Laut Tidenplan läuft das Wasser noch eine Stunde ab, bis es seinen Rückweg antritt. Erst langsam, dann immer schneller, immer raumeinnehmender. Wo jetzt Menschen spazieren gehen, werden sich in gut sechs Stunden Wellen kraftvoll überschlagen. Als wären sie nie weg gewesen. Man könnte meinen, das Ganze sei nur ein Spuk gewesen. Obwohl Anne sich die Tiden physikalisch erklären kann, hat dieses Naturschauspiel für sie nichts von seinem Zauber verloren.

»Einen schönen Urlaubstag für Sie!« Die Männerstimme ist unmittelbar hinter ihr. Anne springt vor Schreck einen Schritt zur Seite. Herr Habermann. Er radelt bestens gelaunt an ihr vorbei. Im knappen Abstand folgt ihm seine Frau. Sie schenkt ihr nur ein entschuldigendes Lächeln. Anne erwidert es fahrig und sieht ihnen nachdenklich hinterher. Ein Bilderbuchehepaar, laut Tomke Heinrich. Sind sie wirklich geeignet, Protagonisten abzugeben? Eher nicht. Da war sie ihrer Wirtin nicht ehrlich gegenüber. Dabei hat Anne sehr wohl gemerkt, ihre aalglatte Antwort hat sie enttäuscht. Aber sie hätte ihr wohl kaum sagen können: Die beiden erscheinen in ihrem Pärchenglück fast zu harmonisch. Ihnen fehlt das gewisse Drama, ein wenig Zündstoff. Was hätte Frau Heinrich dann von ihr gedacht? Linda Loretta ist neidisch auf ein langweiliges Ehepaar. Womit sie richtig liegen würde. Anne hätte nichts gegen ein bisschen langweiliges Glück einzuwenden. Die Vertrautheit einer Partnerschaft ist nicht langweilig. Sie ist eine Heimat. Eine, die sie gerne hätte. Was soll daran falsch sein? Eigenartig, das Bedürfnis nach Geborgenheit wird so gerne mit Schwäche assoziiert. Dafür die Unfähigkeit, eine Beziehung aufzubauen, mit Stärke. Sie wird als autark bleiben wollen, als Drang nach Freiheit verstanden. Freiheit. Von wegen. Anne ist es leid, Spielball ihrer Sehnsucht zu sein. Dafür verbraucht sie viel Kraft. Kraft, die sie lieber in ihr Leben investieren würde.

Das Schlimmste: Das Ziel ihrer Träume heißt noch immer Kees-Jan. Das ist doch nicht normal. Liebe ist eine Psychose von zwei Jahren. Höchstens. Das ist eine von Kees-Jans Lebensweisheiten. Und was macht sie? sie hat ihn nach so vielen Jahren noch immer nicht aus ihrem Leben verbannt. Sie hat die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft nie tief genug vergraben. Ist das nun die ganz große Liebe oder eine richtig ernsthafte, unheilbare Psychose? Die Frage bleibt unbeantwortet. Anne spricht mit niemandem mehr über ihre Gefühle. Sie sind für andere nicht nachzuempfinden. Nicht mehr. Das hat sie zum Glück begriffen. Die Tatsachen sprechen zu prägnant dagegen. Ihr Angebeteter ist verheiratet und hat noch eine Tochter bekommen. Das hat Anne sehr wehgetan. Aber dann hat sie die neue Frau samt Kind in Gedanken einfach beiseite geschoben. Als würde es sie nicht geben. Sie sind unwichtig. Eine Phase, hat sie sich eingeredet. Kees-Jan würde sich nicht lange festhalten lassen. Das ist seine Natur. Diese Weglauftendenz können selbst Ehering und erneuter Nachwuchs nicht auf die Dauer einschläfern.



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