Die Ordnung der Welt in Haus und Staat by Wolf Rainer Wendt

Die Ordnung der Welt in Haus und Staat by Wolf Rainer Wendt

Autor:Wolf Rainer Wendt
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783658270148
Herausgeber: Springer Fachmedien Wiesbaden


Der Ökologie der vorgesehenen Förderung von Governance wird innerhalb der Staatstätigkeit Raum geboten. Sie wirkt haushaltend dahin, dass die Ressourcen der Partizipation individueller und kollektiver Akteure vor Ort gehoben werden, dass diese zielführend zusammenarbeiten und dass bei der Erledigung einzelner Aufgaben übergeordnete Zwecke beachtet werden. Ohne hier die Art und Weise der Delegation der Aufgabenerledigung zu bewerten: Der Staat sichert sich auf unterer Ebene die Substanz sozialer Betätigung, indem er sie in ihrer Vielfalt zusammenführt.

Es charakterisiert einen starken Staat, dass er es versteht, die Aktivitäten ziviler Gruppierungen und von Interessenvertretungen auf den Nenner eines Gemeininteresses zu bringen, welches der Staat selber vertritt. Sein Strukturmuster kann ein „fragmentierter Autoritarismus“ sein (Lieberthal 1992); viele regionale und örtliche Akteure haben ihn zu vertreten, die in eigener Kompetenz für ein angepasstes Regieren und für Teilhabe an ihm sorgen. Ein schwacher Staat bleibt stets bemüht, diverse Einzelinteressen zu berücksichtigen und ihnen gerecht zu werden. Er gibt über Verfassungsnormen hinaus keine Ziele vor, für die er alle Staatsangehörigen in Anspruch nehmen kann. Er überlässt es der (pluralen und fragmentierten) Gesellschaft, solche Ziele zu diskutieren, und antwortet sodann auf „soziale“ Anforderungen, die er zu erfüllen sucht, ohne sie sich zueigen zu machen. Der Staat nimmt zum Beispiel Flüchtlinge auf, die in der Gesellschaft teils willkommen geheißen werden, teils nicht willkommen sind, realisiert aber nicht, was das eine oder das andere für seine und der Bürger nationalstaatliche Identität bedeutet. Der schwache Staat setzt sich gegenüber Partialinteressen nicht durch, vertreten von gesellschaftlichen Gruppen, von Parteien oder Gebietskörperschaften oder auch einfach von Stimmungen in der Bevölkerung, denen man in einer freiheitlichen Demokratie meint folgen zu müssen.

Gefragt ist die Stärke des politischen Körpers. Nun erscheint allein schon der Gedanke einer Verkörperung des Staates in der Demokratie verfehlt. Unabhängig vom Für und Wider äußerlicher Repräsentation des demokratischen Souveräns ist es aber angebracht, bei einer Teilhabe am Staat seitens seiner Angehörigen nach dem Bestand zu fragen, der mit ihnen und von ihnen geteilt wird. Welche organische Rolle kann ein Einzelner im gestalteten Gemeinwesen spielen? Weiß ich mich in meiner Familie in einem konkreten Haushalt, in dem ich Aufgaben übernehme oder auch über die Aufgabenverteilung streite, gibt mir der (schwache) Staat keine Koordinaten, wo und wie ich mich in ihm, in seinem Haushalt befinde. Immerhin bietet mir die unmittelbare Gebietskörperschaft, der ich angehöre, ein Bild an: Von meiner (nicht zu großen) Stadt habe ich eine Vorstellung und ich bin in konkreter Weise ein Einwohner. Aber als Bürger im Staat – in welcher Gestalt bietet er sich mir an, wie verkörpert er sich? Bin ich nicht gerade ein Bediensteter in hoheitlicher Funktion, trete ich in einer liberalen Demokratie nicht als „Agent meines Staates“ auf. Schon sprachlich wäre das eine Zumutung, die der freie Bürger von sich weist.

Es geht bei der Frage nach dem politischen Körper und der Teilhabe an ihm nicht um eine personalisierte Darstellung von Herrschaft, nicht um ihre räumliche Ausformung in den Plenarsälen europäischer Parlamente (Manow 2008) oder alternativ in der Demokratie als Lebensform, sondern um die substanzielle Einheit, die der Staat bildet, in der er für ein Gesamtinteresse eintritt und in der er sich seinen Teilhabern darbietet.



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