Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands by Ruediger Jungbluth
Autor:Ruediger Jungbluth [Jungbluth, Ruediger]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783404615940
Herausgeber: Campus Verlag
veröffentlicht: 2013-06-15T04:00:00+00:00
|220|16. »Sein Schiff niemals nur an einen Anker hängen«
Rudolf-August Oetker wird Reeder
Mit dem Zweiten Weltkrieg hatte Deutschland seine komplette Flotte an Handelsschiffen verloren. Von den Schiffen, die die Reedereien bei Kriegsbeginn besessen hatten, war 1945 noch etwa ein Drittel intakt gewesen. Im Potsdamer Abkommen aber waren Handelsschiffe als potenzielle Kriegsmittel klassifiziert worden. Sie hatten daher an die Siegermächte abgeliefert werden müssen und waren in den Besitz Frankreichs, Großbritanniens und der Sowjetunion übergegangen. Die deutschen Werften waren zum großen Teil demontiert worden.
Es schien in dieser Zeit so, als sei die traditionsreiche Hamburg-Südamerikanische Dampfschifffahrts-Gesellschaft am Ende ihrer Geschichte angekommen. Durch den Krieg und seine Folgen hatte die Reederei ein Vermögen von 90 Millionen Reichsmark verloren. Aus eigener Kraft würde sie nicht mehr auf die Beine kommen.
Doch diese Situation war nur auf den ersten Blick aussichtslos, denn sie barg erhebliche Chancen für Investoren. So war es für Rudolf-August Oetker nach dem Krieg ein Leichtes, zu seinem ererbten Besitz an der Reederei weitere Aktien der Hamburg Süd zusammenzukaufen. Vermutlich hatten er und sein Stiefvater Kaselowsky schon während des Kriegs den Plan verfolgt, ihren Einfluss bei der Reederei auszuweiten. Dies legt jedenfalls ein Satz aus der 1941 erschienenen Firmenchronik nahe, in der über ein kleines Motorschiff berichtet wurde, das das Hamburger Oetker-Zweigwerk angeschafft hatte: »So hat sich zu den mannigfachen Beförderungsmitteln der Firma Dr. August Oetker ein weiteres gesellt, das vielleicht einmal als ›Vorläufer |221|einer achtunggebietenden Hochseeflotte‹ bezeichnet wird. Wer mag das alles wissen!«
Es gelang Rudolf-August Oetker nach dem Krieg aber zunächst nicht, die Mehrheit des Kapitals an der Hamburg Süd in seine Hände zu bekommen. Sein Anteil stieg bis auf 49 Prozent. Ein ähnlich großes Aktienpaket lag im Besitz der Hamburger Vereinsbank. Die beiden Großaktionäre verbündeten sich. Im März 1951 ließen Oetker und die Vereinsbank die Reederei in eine Kommanditgesellschaft umwandeln. Damit wurde aus der Hamburg Süd eine Personengesellschaft, für die die altgedienten Vorstandsherren John Eggert und Herbert Amsinck fortan persönlich hafteten. Überdies konnten die Gesellschafter ihre Anteile anders als bei einer Aktiengesellschaft nur mit Zustimmung der anderen Miteigentümer verkaufen. Eine feindliche Übernahme konnte es also nicht geben.
Wer sein Geld in den Jahren 1950 bis 1954 in Schiffe investierte, profitierte von enormen Steuervergünstigungen. In das Einkommensteuergesetz war der Paragraf 7d eingeführt worden, dem zufolge jeder Steuerzahler, der einer deutschen Reederei ein Darlehen zum Bau oder Erwerb von Handelsschiffen gab, die Kreditsumme auf einen Schlag von der Steuer absetzen konnte. Auf diese Weise konnten Großverdiener ihre Gewinne komfortabel in Schiffsanlagen unterbringen, ohne dass das Finanzamt einen Pfennig davon abbekam. Zwar mussten die Rückflüsse aus diesen Darlehen bei der Tilgung in späteren Jahren als Einnahmen versteuert werden, aber das nahm dem Steuersparmodell wenig von seinem Reiz.
Eine Zeit lang verwöhnte der Fiskus die Schiffsinvestoren sogar noch stärker. Die Steuergesetze boten Anlegern die Möglichkeit, die Schiffsgelder nicht als Darlehen zu geben, sondern in Form eines so genannten verlorenen Zuschusses. Das Geld wurde von den Reedereien nicht zurückgezahlt und musste daher auch von seinem ursprünglichen Besitzer nicht versteuert werden. Eine solche Konstruktion machte natürlich nur für die ausgesprochen exklusive Gruppe von Steuerzahlern Sinn, die Reedereien besaßen.
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