Die Nordwind-Saga 01 - Im Nordwind by Georg Miriam
Autor:Georg, Miriam [Georg, Miriam]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2024-07-16T00:00:00+00:00
* * *
«John, du kannst dich nicht länger drücken.»
Einige Zeit nach seiner Unterredung mit Alice Bloom saà er mit Evelyn im Wintergarten der Reeven-Villa. Im Schein der Lampen betrachtete seine Verlobte ihn amüsiert. Ihre Hände ruhten auf dem Notizbuch in ihrem Schoà wie auf einer Bibel.
«Ich drücke mich nicht!», protestierte er lachend. «Ich habe nur keine Ahnung, was man zu so einem Anlass serviert. Ich war noch nie verheiratet, falls du es vergessen hast.»
Sie warf einen Blick zur Tür, lehnte sich vor und drückte ihm einen schnellen Kuss auf den Mund. «Ich auch nicht. Falls du es vergessen hast.» Dann öffnete sie das ledergebundene Buch. «Bringen wir es hinter uns. Also, als Getränke reichen wir natürlich Veuve Clicquot, Sherry und einen Port. Die Weine müsst ihr aussuchen, da bin ich überfragt.» Sie hob die Schultern. «Vielleicht macht das am besten dein Vater. Ich würde sagen, sechs bis sieben sollten genügen. Und natürlich euer heià geliebtes Bier. Theodor hat versprochen, dass die Holsten-Kutsche vorfahren wird?»
Er lächelte. «Selbstverständlich, der Landauer gehört zu einer Reeven-Hochzeit dazu.»
«Deine Mutter möchte Schildkrötenragout zur Vorspeise.»
«Was Mutter möchte, ist in diesem Fall zweitrangig, würde ich meinen?»
«Ich habe absolut nichts dagegen, Gesa hat einen ausgezeichneten Geschmack. Aber danke», fügte sie leiser hinzu und drückte kurz seinen Arm.
Er legte seine Hand auf ihre. Sie waren ein gutes Team. Sie würden eine solide Ehe führen, da gab es keinen Zweifel.
Sie ist perfekt. Aber Sie lieben sie nicht.
Trotz der Wärme des Wintergartens wurde ihm kalt. Er hatte die Worte nie abschütteln können, dabei war diese lächerliche Sache beinahe ein Jahr her.
Nun, vielleicht hatte die Wahrsagerin sogar recht gehabt, vielleicht hatte er Evelyn damals noch nicht geliebt. Aber inzwischen kannten sie sich besser, hatten eine warme Vertrautheit entwickelt, eine Verlässlichkeit. Was war schon Liebe. Starke Zuneigung und gegenseitige Sympathie waren ein gutes Fundament, und beides empfand er für sie. Er war sich sicher, dass dies mit den Jahren noch zunehmen würde. Wer heiratete schlieÃlich aus Liebe? Julius und Marlies waren eine Zeit lang ganz vernarrt ineinander gewesen, und wohin hatte das geführt? Man konnte Eiswürfel aus der Luft schneiden, wenn die zwei sich im selben Raum aufhielten.
Aber Sie lieben sie nicht â¦
Er würde nie wieder eine andere Frau küssen. Evelyn würde jeden Tag neben ihm einschlafen, sie würde die Mutter seiner Kinder werden, sein Lebensmittelpunkt. Er beobachtete sie. Sie war so schön. Warmherzig, liebreizend. Was zur Hölle war los mit ihm, er hatte die beste Frau in ganz Hamburg erwischt, warum grübelte er überhaupt über diese Dinge nach? Nervenflattern, nichts weiter. Es war normal, er hatte das schon oft gehört. Plötzlich dachte er an Alice Bloom. An ihr geschundenes Gesicht, ihren wütenden Blick. Alles an Evelyn war weich, ihre Hände, ihre Stimme, ihr Blick. Alles an Alice schien hart. Aber als er zum ersten Mal gesehen hatte, wie sie mit Rosa sprach, hatte er verstanden, dass diese Härte nur eine Hülle war. Sie war nicht hart. Sie war einfach nur vollkommen verzweifelt.
«Dazu, würde ich sagen, eine Suppe, damit kann man nichts falsch machen», referierte Evelyn bereits den nächsten Punkt.
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