Die Nonne und die Hure by Lotz Christa S
Autor:Lotz, Christa S.
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-02-13T16:00:00+00:00
24.
Das Fest im Weingarten von Arcangela hatte seinen Höhepunkt erreicht. Die Musiker, bestehend aus einem Gitarristen, einem Flötisten und einer Triangelspielerin, spielten zu einem Tanz nach dem anderen auf. Viele der Männer hatten sich mit einem weiblichen Gast in eine verwunschene Ecke des Gartens zurückgezogen, und der Kardinal war schon vor einiger Zeit mit Andriana verschwunden. Celina fühlte sich mit einem Mal sehr allein. All diese Menschen waren sich nahe, nur sie hatte niemanden, mit dem sie sich hätte austauschen können. Aber wollte sie wirklich die Nähe, wie sie die anderen zueinander hatten? Ein junger Mann schaute immer wieder zu ihr herüber. Er wird doch nicht ⦠doch schon stand er auf und kam herbeigeschlendert.
»So allein, schöne Frau?«, sagte er mit einer galant angedeuteten Verbeugung.
»Ich fühle mich ganz wohl«, entgegnete sie.
»Lasst mich Euch zu einem Tanz entführen.«
»Mir ist nicht nach Tanzen zumute.« Er setzte sich neben sie auf die Bank und legte ihr den Arm um die Schulter. Sie rückte ein Stück von ihm ab.
»Fasst mich bitte nicht an«, sagte sie leise.
»Wohl eine alte Jungfer?«, antwortete er und stand auf. »So frostig wird man in ganz Rom nicht behandelt.«
Sie fühlte sich leer und wie von innen verbrannt. Ihre Hände und Knie zitterten leicht. Es ist alles zu viel, dachte sie, stützte den Kopf in den Arm und blickte vor sich hin. So fand sie wenig später Andriana, die mit rot glühendem Gesicht aus dem Pavillon kam.
»Was ist mit dir, Celina?«, rief sie besorgt. »Du siehst aus wie der Tod.«
»Es ist mir zu viel«, murmelte Celina.
»Was ist dir zu viel?«, fragte Andriana.
Celina suchte nach Worten.
»Ich kann diese ⦠Wollüstigkeit nicht mehr ertragen, dieses Doppelleben des Klerus. Als Nonne soll man züchtig leben, aber alle hier scheinen sich nicht an das Keuschheitsgebot zu halten. Es widert mich an!«
Andrianas Augen blitzten zornig. »Celina, glaubst du wirklich, dass du schon etwas vom Leben verstehst? Du bist wohlbehütet aufgewachsen, bis das Schicksal dich in ein Kloster verschlagen hat. Na und? Es geht Hunderten, Tausenden so. Und es gibt ebenso viele, die sich ihren Lebensunterhalt verdienen müssen.«
»Warum sprach dann Tullia dâAragona von der nichtsinnlichen, der platonischen Liebe als höchster Form?«
Andriana lachte. »Schätzchen, das sind Wortgebilde. Man kann sich eine Philosophie ausdenken, die man als Ideal hinstellt, ob man danach lebt, ist eine andere Frage.«
»Ich möchte nach Hause«, sagte Celina mit schwacher Stimme. Aber wo war ihr Zuhause eigentlich?
Sie fuhren mit der Kutsche zurück zum Haus des Kardinals. Mitternacht war schon lang vorüber. Der Kardinal plauderte angeregt mit Andriana; anscheinend bemerkte er die Verstimmung zwischen den beiden Frauen nicht. Am nächsten Tag war er schon früh aus dem Haus. Als er gegen Mittag zurückkehrte, bat er Celina und Andriana in sein Zimmer.
»Der Papst will Euch nicht von Eurem Gelübde entbinden«, sagte er in bedauerndem Tonfall. »Er meint, wenn alle den Schleier abgeben würden, wäre der Verderbnis Tür und Tor geöffnet. Dann würden die Priester auch das Zölibat aufheben wollen, wie es dieser Ketzer Luther schon lange gefordert und es auch praktiziert hat.«
Celina verstand die Welt nicht mehr. Wut kochte in ihr hoch.
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