Die Nonne und der Tod by Kern Claudia

Die Nonne und der Tod by Kern Claudia

Autor:Kern, Claudia [Kern, Claudia]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2013-01-21T00:00:00+00:00


Kapitel 22

Die Straßen und Gassen waren leer. Irgendwo weit entfernt von mir verkündete ein Nachtwächter, dass die zehnte Stunde angebrochen war. Ich versuchte, in den Schatten der Häuserwände zu bleiben, als ich mich auf den Weg zum Kloster machte. Die Nacht war warm, die leichte Brise trocknete den Schweiß auf meiner Haut und vertrieb das Durcheinander meiner Gedanken.

Ich achtete darauf, nicht die breiten Straßen zu nehmen, in denen ich Patrouillen vermutete, sondern nur schmale Gassen und Nebenstraßen. Obwohl ich langsam ging, glaubte ich, meine Schritte von den Wänden widerhallen zu hören. Es war, als würde die ganze Stadt auf mich lauern.

Ich orientierte mich am Turm des Doms, den ich immer mal wieder über den Hausdächern sah. Solange er rechts von mir blieb, ging ich in die richtige Richtung, dem Kloster entgegen. Ich verkniff mir ein Lachen, als mir klar wurde, dass der Ort, in dem ich wie in einem Kerker gesessen hatte, nun zu meiner einzigen Zuflucht geworden war.

Irgendwo knarrte etwas, jemand zischte scharf, und es klang sehr nahe. Ich drückte mich rasch in einen Hauseingang und verbarg das Gesicht hinter meinem dunklen Umhang

»Pass doch auf«, sagte eine Frau, leise, aber wütend.

»Der verdammte Karren ist zu schwer«, antwortete ein Mann. Er keuchte bei jedem Wort.

Vorsichtig streckte ich den Kopf vor, bis ich um die Ecke des Hauseingangs blicken konnte. Die kleine Gruppe dunkel vermummter Gestalten stand nur wenige Schritte von mir entfernt an der Kreuzung zweier Gassen. Sie waren zu fünft. Alle trugen hohe Körbe auf dem Rücken. Zwischen ihnen stand ein Karren. Im Sternenlicht sah ich, dass man ihm Decken um die Räder gewickelt hatte, wahrscheinlich, um die Geräusche zu dämpfen.

»Je schwerer, desto besser.« Die Frau sah sich um. Ich zog den Kopf zurück.

»Das sagst du nicht mehr, wenn sie uns erwischen.« Wieder der Mann.

»Hört mit dem Gerede auf«, sagte eine neue Männerstimme. »Die Patrouille kommt gleich.«

Ich wagte wieder einen Blick um die Ecke und sah, dass zwei der Gestalten die Decke, die von einem der Räder gerutscht war, mit Stricken festzogen. Die anderen standen um sie herum und warteten. Im Sternenlicht konnte ich erkennen, dass der Korb, den die schlecht gelaunte Frau auf dem Rücken trug, voll mit Zwiebeln und Gurken war. Zwar gab es überall in der Stadt Gärten, aber mir fiel kein Grund dafür ein, selbst geerntetes Gemüse während der nächtlichen Sperrstunde durch die Stadt zu tragen.

Das sind Schmuggler, dachte ich. Ihre Ware stammt von draußen.

Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie all das an den Wachen vorbeigeschmuggelt hatten, geschweige denn, wie sie durch eins der geschlossenen Tore gekommen sein sollten, aber es musste ihnen irgendwie gelungen sein.

Wenn sie Waren schmuggeln konnten, warum dann keine Menschen?

Ich wartete, bis sich die Schmuggler mit ihrem Karren wieder in Bewegung gesetzt hatten, bevor ich den Hauseingang verließ. Die Kreuzung war nur wenige Schritte entfernt. Als ich dort ankam, sah ich nach rechts in eine kleine Gasse hinein. Die Schmuggler verschwanden gerade hinter einer Biegung. Einen Moment zögerte ich, dann folgte ich ihnen, ging immer dem dumpfen Knarren des Karrens hinterher.



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