Die Netzhaut by Torkil Damhaug

Die Netzhaut by Torkil Damhaug

Autor:Torkil Damhaug [Damhaug, Torkil]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
ISBN: urn|isbn|9783426406571
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 2011-10-12T09:15:20+00:00


8

Dienstag, 30. Dezember

R

oar Horvath drückte auf eine der Klingeln neben der Tür, auf der »T. Gabrielsen« stand. Keine Reaktion. Er begann sich zu ärgern, denn er war auf die Minute pünktlich. Aber die Branche, der sie angehörte, war nicht gerade bekannt dafür, mit der Zeit anderer Leute achtsam umzugehen.

Endlich summte das Türschloss. Das Treppenhaus war heruntergekommen und stank nach Schimmel. Das ganze Haus sah aus wie ein Renovierungsobjekt. Als er den Treppenabsatz des ersten Stocks erreichte, steckte eine Frau mit rundem Gesicht ihren Kopf zur Tür heraus.

»Warten Sie bitte kurz dort drüben«, sagte sie und zeigte auf eine Tür. »In einer halben Minute bin ich fertig.«

Roar betrat eine Küche, die wohl auch als Aufenthaltsraum diente. Auf einem Tisch neben der Tür stand eine Kochplatte, daneben eine Kaffeemaschine. Ein winziger Kühlschrank stand unter dem Fenster, das auf den Hinterhof hinausging und an dem ein Flipchart lehnte. Der Hängeschrank enthielt eine Schachtel mit Kaffeefiltern, ein paar Tassen und Gläser, eine Kilopackung Salz und eine merkwürdige kleine Plastikkanne mit langer Tülle. In der Ecke zwischen Kühlschrank und Wand stand ein graulackierter Aktenschrank. Er hatte drei Schubladen, die alle verschlossen waren. Auf dem Flipchartblock hatte jemand mit blauem Stift mehrere Pfeile aufgezeichnet, daneben standen Wörter wie »Dilemma«, »Selbst-Entwicklung« oder »Verteidigung«. Er blätterte zurück und stieß auf weitere Zeichnungen und Erklärungen in verschiedenen Handschriften.

Nach über zehn Minuten erschien endlich Torunn Gabrielsen. Schweigend setzte sie Kaffeewasser auf, äußerte kein Wort der Entschuldigung und überließ es ihrem Gast, ob er stehen oder sitzen wollte.

Roar tippte, dass sie etwa in seinem Alter war, obwohl sie älter wirkte. Sie hatte halblange Haare. Ihr Gesicht war bleich und grobporig, ihre Augen gerötet. Sie trug zwar keine Brille, aber er konnte ihren Abdruck auf dem Nasenrücken erkennen. Außerdem blinzelte sie, als sie zu ihm aufblickte. Betrachtete er sie als Frau, würde er diplomatisch feststellen, dass sie nicht unbedingt seinem Geschmack entsprach. Nicht gerade viel Charisma, dachte er. Vielleicht war sie auch nur erschöpft. Reiß dich zusammen, Roar!, ermahnte er sich, als er merkte, wie seine Abneigung überhandnahm.

»Ich freue mich, dass wir dieses Gespräch hier führen können«, sagte er. »Dann kann ich mir auch gleich das Behandlungszimmer von Mailin Bjerke ansehen.«

»Wurde sie denn hier zuletzt gesehen?«

»Das wissen wir nicht«, antwortete er.

»Aber wenn ich richtig verstanden habe, hatte sie hier eine Verabredung und schaute noch mal in ihrer Praxis vorbei, nachdem sie in der Hütte gewesen war. Ihr Auto hat man doch ebenfalls vor der Tür gefunden.«

Er begriff, dass diese Frau lieber Fragen stellte als Antworten gab.

»Haben Sie das Auto gesehen, als Sie die Praxis verließen?«

Sie schüttelte entschieden den Kopf.

»Ich habe die andere Richtung eingeschlagen, hinunter zum Holbergs plass.«

»Um welche Uhrzeit?«

»Um circa halb vier. Die Straßenbahn geht um zehn nach halb. Das habe ich schon alles Ihren Kollegen erzählt.«

»Sie müssen entschuldigen, dass wir manchmal mehr als einmal fragen«, entgegnete er in neutralem Ton und blickte zur Kaffeemaschine hinüber, die ein brodelndes Geräusch von sich gab. »Sie sind Mailin Bjerke an diesem Tag also gar nicht begegnet?«

»Zum letzten Mal habe ich Mailin einen Tag vor ihrem Verschwinden gesehen.



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