Die Nacht des Don Juan: Roman by Hanns-Josef Ortheil
Autor:Hanns-Josef Ortheil [Ortheil, Hanns-Josef]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Fiction, General, Belletristik, Gegenwartsliteratur
ISBN: 9783641108694
Google: feBzyjKX2mwC
Herausgeber: Luchterhand Literaturverlag
veröffentlicht: 2014-12-30T05:00:00+00:00
Vierter Teil
24
Den Tag vor dem großen Fest verbrachte Casanova im Pachtaschen Palais und kümmerte sich um jede Kleinigkeit der Vorbereitungen selbst. Er überwachte die Dekoration der Räume, das Aufstellen der Blumensträuße und Buketts in den Fluren und Zimmern, das Drapieren der Tische und Möbel mit seidenen Stoffen und Decken aus schwerem Damast, das Anbringen von Kerzen, Kandelabern und Leuchtern an den Wänden. Am liebsten hätte er die kleineren Räume neu streichen lassen, in hellen, freundlichen Tönen, dem leuchtenden Wolkenblau seiner Heimatstadt oder dem weichen Grün der Wiesen Venetiens, doch dafür war keine Zeit. Mit eigenen Augen überprüfte er die Lieferungen von Fleisch, Fisch, Gemüse und Obst, die Flaschen mit Wein, Likör und Champagner lagen schon seit einigen Tagen, zu kleinen, zierlichen Kathedralen zusammengestellt, in den Kellern.
Immer wieder ging er in Gedanken den Verlauf des Abends durch, der Erfolg hing ab von seiner meisterhaften Regie, die aus dem Fest eine Inszenierung machen würde, an die man sich noch lange erinnerte. Es sollte das schönste Fest werden, zu dem er jemals eingeladen hatte, ein Fest einzig nach seinem Geschmack, wie er ihn verfeinert hatte auf seinen weiten Reisen durch ganz Europa. Vor allem aber wollte er es gegen da Pontes Fest setzen, denn was sich dieser Halunke für seinen Don Juan ausgedacht hatte, war ja im Grunde kein Fest, sondern ein zügelloses, wildes und erbärmliches Treiben mit von der Straße herbei geladenen Gästen, mit der Landbevölkerung und willkürlich erscheinenden Damen und Herren des Adels, eine Durchmischung der Stände, die nur Ausdruck einer Verachtung der Eingeladenen war und keinen von ihnen befriedigen konnte.
Er aber, Giacomo Casanova, wollte nicht das Chaos eines solchen Gelages, er wollte die erotische Komposition, das Fest als Theaterstück in mehreren Akten, mit wechselnden Hauptdarstellern. Dazu aber gehörte, daß man die Festgesellschaft auf geschickte Weise zwang, sich immer neu zu gruppieren, in kleinen Gruppen, am besten aber zu zweit. Die schönsten Soupers hatte er selbst jedenfalls in dieser Form erlebt, zusammen mit einer begehrenswerten und möglichst geistreichen Frau in einem am besten runden oder ovalen Raum, einem Eßtisch, einem zweiten, länglichen Tisch mit den bereitgestellten Speisen und versteckt, aber doch deutlich sichtbar, einem breiten Bett, einem Lager, das auf den Endzweck allen Feierns hindeutete: die kunstvoll hinausgezögerte Vereinigung der Körper, die höchste Lust.
Es war schwer, die Prager an solche Festideen zu gewöhnen, offen darüber zu sprechen, verbot sich sowieso, man hätte ihn ja doch nicht verstanden. Nur Paolo, den mußte er zumindest in einige Vorhaben und Absichten einweihen, schließlich war Paolo so etwas wie sein Zeremonienmeister. Aber auch ihm würde man jede Einzelheit erklären müssen, wie sollte ein Bursche vom Land wie er denn begreifen, was hinter diesem Fest steckte, wieviel Erfahrung und Wissen, die Summe all seiner Erlebnisse und weiten Reisen. Das aber wollte er nicht einmal erwähnen, er mußte es ihm auf andere, schlichte Weise erläutern, so klar, daß ihm seine Regieideen vollkommen einleuchteten und er sie umsetzte in das durchtriebene Spiel.
Am besten war es, einige Abläufe heute mit den Dienerinnen und Dienern zu proben, zum Glück wußte die Köchin inzwischen, was er wollte.
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