Die Mutter des Satans Roman by Claudia Beinert & Nadja Beinert

Die Mutter des Satans  Roman by Claudia Beinert & Nadja Beinert

Autor:Claudia Beinert & Nadja Beinert [Beinert, Claudia & Beinert, Nadja]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426437032
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


»Versagerin«, vernahm Lucas Margarethes Flüstern, als er gerade an eine Skizze dachte, die er während der letzten Pestzeit vom Fenster seiner Wohnkammer aus erstellt hatte. Ein Haufen Pesttoter direkt vor der Ruine des Rathauses hatte den Weg auf sein Papier gefunden. Bisher hatte er die Skizze aufgrund ihrer schmerzenden Ehrlichkeit niemandem gezeigt, nicht einmal seiner Ehefrau. Dabei war er sich sicher, dass sie das Herz des Betrachters vermutlich mehr berühren würde als die meisten Bilder aus seiner Werkstatt. Er schaute zu Margarethe, die erneut gedankenverloren und mit trübem Blick auf ihrem Stuhl saß.

Sie hielt die Rosenkranzkette mit beiden Händen umklammert. Ihr Kopf war dabei leicht gesenkt, genauso wie er sie gezeichnet hatte. Er betrachtete das Papier vor sich. Martins Mutter wirkte darauf, als trüge sie eine schwere Last, die sie einfach nicht loswurde, und die auch ihre Schultern hinabhängen ließ. Durch die gezeichneten Schatten wirkte ihr Gesicht beinahe asketisch. Auch ihre Wangenknochen traten dadurch deutlicher hervor, die ihr in ihrer Jugend wohl ein anmutiges Aussehen verliehen hatten. Wie eine Braut Christi – Philipp Melanchthon hatte ihm Martins Mutter jedenfalls als sehr fromme Frau beschrieben.

Technisch war alles so weit einwandfrei, Proportionen und Lichteinfall waren realistisch wiedergegeben. Die Schatten stimmten haargenau, und doch wollte keine Freude über die Vorstudie in ihm aufkommen. Lucas nahm die Hand vom Kinn, wieder hatte er unbemerkt an einer Bartsträhne gezwirbelt. Zwischen Margarethe und ihrem gemalten Abbild bestand ein Unterschied, den er einfach nicht zu fassen bekam. Sollte Ennlein ihn zum ersten Mal im Stich lassen? Lucas hinterfragte jeden Pinselstrich auf dem Papier und glich ihn mit dem vor ihm sitzenden Modell ab. Erneut betrachtete er Margarethe eingängig. Bei keinem anderen Modell zuvor, weder bei den Jungfrauen noch beim Kurfürsten, war ihm das genaue Beschauen so unangenehm gewesen. Denn das Modell musste Nähe, das intime Berühren durch Blicke, wie es unter anderen Umständen unschicklich wäre, zulassen. Und der Maler musste diesen intimen Zustand so gestalten, dass er nicht unerträglich wurde.

»Versagerin«, wiederholte Margarethe gedankenversunken.

Lucas wurde ungeduldig. »Was meint Ihr, wenn Ihr von einer Versagerin redet?«

Da rutschte Margarethe der Rosenkranz aus den Händen. Er hatte sie erschreckt. Das Klacken der Perlen auf dem Dielenboden hallte nach.

»Es ist sehr schwer, all seinen Kindern gerecht zu werden.« Sie machte eine Pause.

Lucas musste sofort an seinen zweiten Sohn denken, der gleich ihm Lucas gerufen wurde. Vielleicht sollte er mehr Geduld mit ihm haben, wenn dieser zum wiederholten Mal Farbpigmente und Bindemittel nicht richtig zusammenmischte und die fertige Farbe deshalb später riss oder schneller vergilbte. Vielleicht war es ja eher dem Trotz als fehlender Begabung geschuldet, dass dem jungen Lucas so wenig gelang.

»Christina war ich mehr Beistand schuldig als den anderen«, sprach Margarethe weiter. Neben Verzweiflung schwang nun auch wieder Liebe in ihrer Stimme mit. »Ihr schlimmes Schicksal hatte ich ja zu verantworten.«

Christina? Lucas konnte sich nicht daran erinnern, dass ihm Martin von einer Schwester dieses Namens erzählt hatte.

Margarethe schaute Lucas nach wie vor an. »Meine Mutter hatte die schönste Stimme, die ich jemals gehört habe.«

Margarethe schien nicht weiter über Christina reden zu wollen, das respektierte er selbstverständlich.



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