Die Moorheiligen by Christiane Meyer-Ricks
Autor:Christiane Meyer-Ricks [Meyer-Ricks, Christiane]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Gmeiner-Verlag
veröffentlicht: 2015-07-18T16:00:00+00:00
Als Mirjam wieder in der Hitze auf dem Parkplatz stand, fiel ihr auf, dass Kruses Verschwinden sie verletzte. Es war ein vertrautes Gefühl. Wie ein Beinbruch aus Kindertagen, der sich zum Wetterumschwung meldet. Gedankenverloren überquerte Mirjam den Parkplatz und setzte sich auf eine Bank im Schatten des Supermarkts. Ein roter Porsche glitt in eine Parkfläche. Mirjam brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass dort Debbie mit dem Gärtner im Wagen saß. Jetzt trug sie einen schwarzen Einteiler mit einem silbernen Reißverschluss, den der junge Mann bis zum Bauchnabel herunterzog und seinen Kopf darin vergrub. Debbie warf lachend den Kopf zurück.
Mirjam schrak zusammen, als ein alter Mann neben ihr sie ansprach.
»Mir hätte es gereicht, reich oder schön zu sein. Die Schlampe hat beides.«
Mirjam folgte seinem Blick zu Debbie, die mit dem Gärtner aus dem Wagen kletterte. Beim Näherkommen erkannte sie Mirjam und rief: »Hernán braucht ein paar Sachen!«
Der Alte neben Mirjam strich sich mit der Hand über seinen fleckigen Schädel. »Die Schlampe hat echt alles.«
Er muss in Papas Alter sein, dachte Mirjam. Sie stellte sich vor, wie ihr Vater im Schatten auf dem Bänkchen vor dem Supermarkt saß und mit seinen Kiefern imaginäre Brotstücke zermalmte. Dachte er dabei an Hunger, Blut und Gefahr, an barbarische Gräuel aus einer anderen Zeit – oder an das Glück, bis heute überlebt zu haben. Sie sah ihren Vater mit den Füßen auf dem warmen Beton des friedlichen Supermarkts stehen, wo neben ihm aus der Schiebetür Wagen mit Ladungen frischer bunter Lebensmittel geschoben wurden, die in großen Luxuswagen verschwanden.
Das ist Glück, personifiziert in Debbie.
Diese liebenswerte Nanny, die Hernán jetzt Geld auf die Hand blätterte und sich dann neben Mirjam auf die Bank fallen ließ. Ja auch sie gehörte zu seiner selbst gebastelten Therapie, dachte Mirjam. Genau wie seine kindische Art, bergeweise Nahrungsmittel zu kaufen. Egal, ob Wurst, Käse und Lachs im Kühlschrank verschimmelten, es wurde immer mehr gekauft.
Nur kein Mangel.
Sie und Debbie beobachteten Hernán dabei, wie er einen Einkaufswagen aus der Reihe zerrte und mit einem breiten Zahnfleischgrinsen hinter der Schiebetür zum Supermarkt verschwand. Mirjam graute davor, was sie jetzt hören würde. Debbies Stimme war zittrig.
»Du weißt nicht, wie es ist, Mirjam. Ich liebe Karl. Er ist ein unheimlich netter Mann, aber er ist auch wirklich alt.«
Mirjam stand schnell auf. Dabei fiel ihr die Tasche auf den Boden. Sie wollte das nicht hören.
»Oh, Debbie. Bitte. Es ist mein Vater, von dem du da sprichst. Ich fahr jetzt nach Hause, und wir sehen uns später.«
Noch bevor Debbie weitere Erklärungen abgeben konnte, war Mirjam zum Wagen gerannt und rollte aus dem Parkplatz. Als sie mit quietschenden Reifen auf die Straße einbog, sah sie Debbies kleine Figur, die sich lachend dem alten Mann neben ihr zuwandte.
Mirjam fuhr zurück zu Kruses Villa. Als sie vor dem Haus parkte, stand dort ein dunkler Wagen. Vor der Haustür wartete ein Mann im Anzug. Sofort dachte Mirjam an Straßenraub, Einbrecher und Trickdiebstahl, schließlich hatten sie alle davor gewarnt, Miami sei eine sehr gefährliche Stadt.
Sie parkte den Wagen vor der Einfahrt und begrüßte den Mann.
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