Die Mitternachtsstunde by Hartshorne Pamela

Autor:Hartshorne, Pamela
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: GOLDMANN
veröffentlicht: 2015-06-18T16:00:00+00:00

Kapitel 12

Luke nickte. »Du hast auch allen Grund dazu, finde ich«, sagte er mit ernster Stimme. »Du bewegst dich auf gefährlichem Terrain. Wenn Ralph dich in der Vergangenheit misshandeln kann, und du wachst in der Gegenwart wieder auf und hast Blutergüsse am ganzen Körper, frage ich mich, was er sonst noch alles bewerkstelligen kann. Oh, entschuldige«, fügte er eilig hinzu, als er sah, wie aschfahl Tess geworden war. »Ich wollte dir nicht noch mehr Angst machen. Aber ich finde, du solltest mit jemandem reden, der sich mit solchen Dingen ein bisschen besser auskennt.«

»Wie? Du meinst, es gibt noch mehr Leute, die wissen, wie es ist, in der Vergangenheit gefangen zu sein, noch dazu mit einem sadistischen Ehemann?« Tess’ Lachen hatte einen Beiklang von Hysterie.

»Es gibt Leute, die kennen sich aus mit Vorleben und Reinkarnation«, erwiderte Luke unbeeindruckt. »Ich hatte letztes Jahr einen Auftrag in Lincoln, wo ich für einen Artikel im Express die Fotos gemacht habe. Es ging dabei um Vorleben und Wiedergeburt. Sie haben die Geschichte groß rausgebracht und mit einer Serie über ganz normale Hausfrauen aufgemotzt, die geglaubt haben, in ihrem früheren Leben Kleopatra oder dergleichen gewesen zu sein. Da war ein Typ, der sie hypnotisiert hat, und den hat der Journalist als richtigen Scharlatan hingestellt. Der Mann hatte sich einverstanden erklärt, dass bei einer seiner Hypnosesitzungen Fotos gemacht werden durften, und bei dieser Gelegenheit habe ich ihn kennengelernt.«

»Eine Hypnosesitzung?«, fragte Tess ungläubig. »Es gibt Leute, die lassen so etwas freiwillig mit sich machen?«

»Offensichtlich.« Feine Lachfältchen bildeten sich um Lukes Augen. »Ich ging dort hin, rechnete damit, dass ich das Ganze höchstens amüsant finden würde, aber dann kam es ganz anders. Ambrose war überhaupt nicht der schrille Vogel, als den der Journalist ihn hingestellt hatte. Ich war …«, Luke überlegte, suchte nach dem richtigen Wort, »… beeindruckt«, sagte er schließlich. »Ich habe nirgendwo Anzeichen von Betrug oder Scharlatanerie entdecken können. Es ging die ganze Zeit erstaunlich normal zu.«

Tess ließ sich Lukes Rede durch den Kopf gehen. »Was macht dieser Ambrose genau?«, erkundigte sie sich schließlich, immer noch misstrauisch.

»In der Sitzung, die ich fotografiert habe, versetzte er die Patientin in einen Trancezustand und stellte ihr ein paar Fragen. Ihre Erlebnisse waren längst nicht so drastisch wie deine, aber als ich mich anschließend mit ihr unterhielt, meinte sie, die Hypnose habe ihr sehr geholfen, und sie könne nun einige ihrer Ängste besser verstehen und einordnen.« Luke spreizte die Hände. »Kann sein, dass es reine Küchenpsychologie ist, aber ich hatte den Eindruck, Ambrose weiß, wovon er redet. Ich denke, dass er dich wirklich sehr gern kennenlernen würde, und vielleicht könnte er ja dabei helfen, eine Erklärung zu finden für das, was mit dir geschieht.«

Luke richtete einen vorsichtigen Blick auf Tess, die wieder dazu übergegangen war, auf der Innenseite ihrer Wange zu kauen. Ihre Miene war skeptisch.

»Willst du, dass ich seine Telefonnummer herausfinde? Ich könnte ihn anrufen, einen Termin vereinbaren, wenn du möchtest.«

»Ich weiß nicht …« Tess war hin- und hergerissen. Die Vorstellung, in Hypnose versetzt zu werden, war ihr zuwider, immer

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