Die Maske des Dimitrios by Ambler Eric

Die Maske des Dimitrios by Ambler Eric

Autor:Ambler, Eric [Eric, Ambler]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: DIE-Reihe 005
Herausgeber: Verlag Das Neue Berlin
veröffentlicht: 1980-01-31T05:00:00+00:00


X. DIE ACHT ENGEL

An einem grauen Novembertag kam Latimer in Paris an.

Als er in seinem Taxi über die Brücke zur Ile de la Cité fuhr, beobachtete er kurz das Wechselspiel tiefhängender schwarzer Wolken, die im kalten, staubigen Novemberwind schnell dahintrieben. Die lange Fassade der Häuser am Quai de Corse war reglos und geheimnisvoll – man hatte das Gefühl, daß hinter jedem Fenster ein versteckter Wächter lauerte. Auf der Straße waren nur wenig Leute. Paris hatte an diesem spätherbstlichen Nachmittag die makabre Starrheit eines Stahlstiches.

Er fühlte sich bedrückt, und als er die Stufen seines Hotels am Quai Voltaire hinaufstieg, wünschte er inständig, er wäre nach Athen zurückgekehrt.

Sein Zimmer war kalt. Zu einem Aperitif war es noch zu früh, und da er seine Mahlzeit im Zug mit gutem Appetit verzehrt hatte, lockte ihn ein zeitiges Abendessen nicht. Er entschloß sich, die Außenseite des Hauses Nummer 3 der Impasse des Huit Anges in Augenschein zu nehmen. Nicht ohne Schwierigkeiten fand er die Sackgasse hinter einer Seitenstraße der Rue de Rennes.

Es war eine breite Passage, L-förmig und mit Kopfsteinen gepflastert, am Eingang durch ein hohes Gittertor abgeschlossen. Beide Flügel waren zurückgeschlagen und an den Mauern, die sie hielten, mit schweren Krampen festgelegt – man sah ihnen an, daß sie seit Jahren nicht zugemacht worden waren. Ein Zaun aus spitzen Eisenstäben trennte die eine Seite der Sackgasse von der fensterlosen Seitenwand des angrenzenden Häuserblocks. Gegenüber lag eine zweite kahle Zementmauer, zwar nicht durch einen Zaun unzugänglich gemacht, aber durch die verwaschene schwarze Inschrift Défense d’Afficher, loi du 10 Avril 1929 vor unbefugten Händen geschützt.

Die Sackgasse hatte nur drei Häuser. Sie waren so gruppiert, daß man sie von der Straße aus nicht sah, nämlich am Fuße des L, und blickten durch die schmale Lücke zwischen dem Gebäude, an dem Plakate anzukleben verboten war, und der Rückwand eines Hotels, über dem sich die Regenrinnen wie Schlangen krümmten, auf eine weitere fensterlose Zementfläche. Das Leben in der Impasse des Huit Anges mußte so etwas wie eine Generalprobe für die Ewigkeit sein, dachte Latimer. Daß auch andere Leute vor ihm solche Gedanken gehegt hatten, ging daraus hervor, daß zwei der drei Häuser geschlossene Fensterläden hatten und unverkennbar leer standen und vom dritten (Nummer 3) nur der vierte Stock und das Dachgeschoß bewohnt schienen.

Latimer kam sich vor wie jemand, der eine Gesetzeswidrigkeit begeht, während er langsam über die unregelmäßigen Kopfsteine zur Haustür von Nummer 3 ging.

Sie war offen. Er konnte durch einen fliesenbelegten Korridor auf einen schmalen, dunklen Hof hinter dem Haus sehen. Die Loge des Portiers rechts von der Haustür stand leer und sah nicht aus, als ob sie kürzlich bewohnt gewesen sei. Daneben war ein staubiges Bett an die Wand genagelt, auf das vier kleine Messingrahmen geschraubt waren; drei davon waren leer, im vierten steckte ein schmieriges Stück Papier, auf dem mit plumpen Druckbuchstaben in violetter Tinte der Name Caillé stand. Nun, daraus ließ sich nur schließen, was Latimer gar nicht bezweifelt hatte, nämlich daß Herrn Peters’ Deckadresse existierte. Er kehrte um und ging zur Straße zurück. In



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