Die Maske by Siegfried Lenz

Die Maske by Siegfried Lenz

Autor:Siegfried Lenz
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2011-11-04T08:28:10+00:00


Ein Entwurf

Sie brachten mich in ein Doppelzimmer im Ufer-Hospital. Die grauhaarige Frau in der Aufnahme, die meine Personalien in einen Fragebogen schrieb, machte mich darauf aufmerksam, daß ein Bett bereits belegt war. Dann nannte sie den Namen meines Stationsarztes - Dr. Paulsen - und die Namen der beiden Stationsschwestern, Frau Gantz und Frau Pückler, und wünschte mir einen erfolgreichen Aufenthalt. Während man mich im Rollstuhl zu meinem Zimmer schob, konnte ich durch ein Fenster auf die Kreuzung hinabblicken, auf der der Laster meinen kleinen Fiat gerammt und gegen einen Lichtmast geschleudert hatte. Die Kreuzung war bereits leer, nichts erinnerte mehr an meinen Unfall. Bevor wir Zimmer 12 erreichten, sagte der Helfer: „Vielleicht kennen Sie Ihren künftigen Nachbarn bereits, er ist Schriftsteller, ein friedlicher Mann, sein Name ist Haller, Fred Haller.“ Ich hatte den Namen noch nie gehört, und in diesem Augenblick war es mir gleichgültig, wie mein Nachbar hieß und was er war. Meine Schmerzen dämpften die Neugierde. Bei meinem Erscheinen richtete sich der Schriftsteller mit einem Schwung auf, setzte sich auf die Bettkante und streckte mir seine Hand entgegen, eine fleischige, ruhige Hand, die er mir so dauerhaft anbot, als wollte er das Willkommen verlängern oder betonen. Nachdem er seinen Namen genannt hatte, sagte er: „Auf gute Nachbarschaft“, und auf seinem Gesicht erschien ein zufriedenes Lächeln. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, einen Vertragsabschluß besiegelt zu haben.

Es interessierte ihn nicht, was ich aus der Reisetasche herauszog und auf den Nachttisch legte, er blickte auf die belebte Elbe hinab, als ich den Reisewecker aufstellte, ein Photo meiner Rudergemeinschaft mit dem erfolgreichen Vierer mit Steuermann und die letzte Ausgabe des Spiegels und des Hamburger Abendblatts dazulegte. Auf seinem Nachttisch stand nur das Photo einer schlanken, schwarzgekleideten Frau mit ebenmäßigen Gesichtszügen, die auf etwas zu warten schien, nicht besorgt oder gar ängstlich, sondern gelassen. Wir verzichteten beide darauf, den Grund unseres Aufenthalts zu erwähnen, er sagte lediglich, daß wir bei diesem Stationsarzt in guter Obhut seien, Doktor Paulsen gelte nicht nur als guter Arzt, sondern habe sich ihm auch als bewandter Leser gezeigt, was er im übrigen bei etlichen Medizinern festgestellt habe. Als hätte er sich selbst ein Stichwort gegeben, deutete er auf einen Hocker neben seinem Bett, auf dem mehrere Bücher lagen, und sagte: „Falls Ihnen die Lektüre ausgeht.“ Um ihm für sein Angebot zu danken, bot ich ihm aus meiner Schachtel mit gefüllten Pralinen an; er wählte eine Krokantkugel, aß sie jedoch nicht gleich, sondern legte sie vor das Photo: „Für später!“ Für diese Entscheidung entschuldigte er sich. Er entschuldigte sich auch bei der Ankündigung, jetzt ein wenig schlafen zu wollen, er sei wenig zur Ruhe gekommen in der letzten Zeit, er müsse etwas nachholen. Seufzend streckte er sich aus und zog die Decke über seinen Kopf, warf sie aber bald unwillig ab, denn nach einem Klopfzeichen wurde die Tür geöffnet und Schwester Pückler schob den Servierwagen herein. Tee oder Kaffee gab es zur Auswahl, dazu warme Berliner. Mit der Bemerkung „So, jetzt kommt etwas zur Belebung“ servierte sie uns am Bett, was wir gewünscht hatten; Haller wollte auf seinen Berliner nicht verzichten.



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