Die Maikaefer und der Krieg by Burkhard Driest
Autor:Burkhard Driest
Die sprache: eng
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2012-01-28T05:00:00+00:00
14. KAPITEL
Wir hatten von Ulla Grisard einen Brief erhalten, in dem sie schrieb, dass ihr Bruder Otto, seine Frau Eva und Tante Kläre gut in Lüneburg angekommen waren. Im selben Brief lud sie uns auf ihr Gut nach Ostpommern zur Hochzeit ihrer Tochter Urte ein. Ich freute mich, denn Zernikow war ebenso groß wie Drewitz und hatte genauso viele Tiere, vielleicht sogar noch mehr. Ich kannte es bereits, und jedes Mal, wenn wir da gewesen waren, hatte ich viel Spaß gehabt, weil die Prüfungen für mich dort gelegentlich schwieriger waren als auf Drewitz.
Nach Zernikow war es eine Bahnreise, bei der ich mich am meisten auf das Picknick freute, das meine Mutter eingepackt hatte: Kartoffelsalat mit Würstchen. Ich wollte auch gleich wissen, wann wir essen würden. Meine Mutter ließ sich nicht festlegen und versuchte, meine Aufmerksamkeit auf die vorbei gleitende Landschaft zu lenken. Es war Ende Januar, ein eiskalter Winter, alles war eingeschneit, grau das Licht über der Schneelandschaft. Das gleichmäßige Rumpeln des Zuges hatte uns darauf eingestimmt, dass die Fahrt vielleicht länger dauern könnte, denn die Kleinbahn blieb in schneereichen Wintern wie diesem oft stecken. Dann hatten der Lokführer und die Schaffner Stunden damit zu tun, die Wagen freizuschaufeln. In den letzten Jahren waren Schneezäune aufgestellt worden und die Schneewehen stellenweise so hoch, dass sie die Sicht aus den Abteilfenstern verdeckten. Es war eine Schmalspurbahn von einem Meter Breite, mit zweiter und dritter Klasse. Die dritte besaß Holzbänke, aber wir reisten in der zweiten, wo die Sitze gepolstert waren. Direkt unter den Sitzen befanden sich die Öfen, die von außen mit Briketts geheizt wurden, sodass sich mein Hintern schön wärmte. In Schneidemühl blieben wir vor einem hölzernen Schild stehen, auf dem ein springender Hirsch mit einer goldenen Krone zwischen dem Geweih prangte. Hirsche gab es hier, aber ich hatte noch nie einen lebenden gesehen. Während des Aufenthalts kam der Zugführer mit einem Eimer voller Briketts, die er von außen in den Heizofen unseres Waggons nachlegte.
Endlich verteilte meine Mutter den Kartoffelsalat, aber Dagi ließ ihren erst einmal stehen, weil sie schon wieder auf die Toilette musste und meine Mutter mitging, um sie »abzuhalten«, was hieß, sie mit dem nackten Po über das Toilettenbecken zu halten. Als sie zurückkamen, hatte ich meinen Kartoffelsalat und das Würstchen schon verputzt und ein bisschen bei Dagi und meiner Mutter stibitzt. Ich fragte sie, ob sie keinen Hunger habe. Hatte sie aber. Leider. Ich bot ihr meinen Fensterplatz an, wenn sie mir die Hälfte abgebe, aber auch das wollte sie nicht. So schaute ich aus dem Fenster, wo bis zum Himmel alles weiß und grau war. Es gab nichts zu sehen, also wurde ich auch nicht von meinem Hunger abgelenkt, der immer bohrender wurde.
»Warte, bis wir da sind, da gibt’s gleich was«, sagte meine Mutter. Doch das schien mir eine Ewigkeit. Ich hauchte die Scheibe an und malte einen Teufel ans Fenster. Wenig später bereute ich es, denn Tante Kläre hatte mir oft eingeschärft, man sollte niemals den Teufel an die Wand malen.
Es ist schön, schon
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