Die Mühle by Herrmann Elisabeth

Die Mühle by Herrmann Elisabeth

Autor:Herrmann, Elisabeth [Herrmann, Elisabeth]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: d-cbt HC
veröffentlicht: 2016-07-05T11:05:56+00:00


22

Es war, als hätte sich alles gegen uns verschworen. Die letzte Erinnerung an liebliche Spätsommertage wurde von einem mittleren Sturmtief in alle vier Himmelsrichtungen zerstreut. Zu allem Überfluss begann es auch noch zu regnen. Nein, regnen ist nicht das richtige Wort. Es schüttete wie aus Eimern. Innerhalb von Minuten waren wir tropfnass.

»Sollen wir umkehren?«, schrie Cattie.

Tom brüllte »Nein!« zurück.

Die Seeoberfläche kräuselte sich. Schaumkronen schwappten ans Ufer. Der Trampelpfad stand stellenweise knöcheltief unter Wasser. Irgendwann gaben wir es auf, auszuweichen, und liefen mitten durch die Pfützen.

Es hatte ja auch was. Unterwegs in einer wichtigen Mission, gemeinsam mit zwei Leuten, auf die man sich einigermaßen verlassen konnte. Es war ein wenig wie ein fehlgeplanter Wandertag im Herbst. Der Wind riss die Blätter von den Bäumen und peitschte das Schilfgras, das immer dichter wuchs, je schlammiger unser Weg wurde. Wir hatten ungefähr einen halben Kilometer geschafft, als ich hinter mir einen Schrei hörte.

»Cattie?«

Ich drehte mich um. Sie war ausgerutscht. Die Schuhe gaben keinen Halt mehr.

»Geht es?«

»Muss ja.«

»Tom!«, schrie ich. »Wir müssen langsamer gehen. Cattie schafft es sonst nicht.«

Tom kam widerwillig ein paar Schritte zurück. Cattie funkelte mich wütend an. Die roten Haare klebten ihr nass im Gesicht. Der Schal hatte sich zu eng um ihren Hals verheddert. Mit klammen Fingern versuchte sie, ihn zu lockern.

»Kehr um«, sagte ich. »Geh zurück. Tom und ich schaffen das auch alleine.«

»Du stehst auf ihn, was? Soll ich dir ein Geheimnis über ihn verraten?«

Ich konnte ein Stöhnen nicht mehr unterdrücken. »Nein! Ich glaube nur nicht, dass du so eine echte Hilfe bist!«

»Falls du denkst, ich tue das für dich, dann irrst du dich gewaltig. Für wie dumm hältst du mich eigentlich? Mit diesem Haus stimmt was nicht. Das merkt doch jeder. Nur Siri nicht.«

Ich schnappte nach Luft. »Du hast sie und Franziska dagelassen, weil du glaubst, dass man dort nicht mehr sicher ist?«

Cattie trat auf mich zu. Ihr Gesicht war nur noch eine Handbreit von meinem entfernt. »Und was glaubst du? Dir geht es doch ganz genauso.«

»Ich hole Hilfe!«

»Hilfe, ja. Ich auch.«

Sie stieß mich zur Seite und wackelte mehr schlecht als recht auf Tom zu, der ungeduldig auf uns gewartet hatte. Nun war Cattie also in der Mitte, und ich muss sagen, dass es für unsere kleine Prozession nicht die schlechteste Lösung war. So oft, wie sie hinfiel und ich ihr wieder aufhelfen durfte – am Anfang schlug sie noch unwillig meine Hand zur Seite, später sagte sie nichts mehr –, war es noch mit das Gelungenste an diesem schrecklichen Tag. Nach einer Stunde hatten wir das Ostufer des Sees erreicht – morastiger Schlamm, aus dem ein ganzer Wald aus undurchdringlichem Schilfrohr wuchs.

Tom, der bei jedem Schritt mehrere Zentimeter im Matsch versank, hob die Hand. Cattie blieb keuchend stehen und stützte sich auf seiner Schulter ab. Ich hatte so sehr auf den kaum noch sichtbaren Weg geachtet, dass ich beinahe in sie hineingelaufen wäre.

»Was ist?«

»Wir kommen hier nicht weiter.«

»Meine Scheiße«, fluchte Cattie. »Meine heilige, verdammte Sch…«

Ich drängte mich an den beiden vorbei. Der Regen hatte etwas nachgelassen, auch der Wind war nicht mehr so stark wie bei unserem Aufbruch.



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