Die Logik des Irrtums by Hanno Beck

Autor:Hanno Beck
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Allgemeine Buch
veröffentlicht: 2015-09-23T00:00:00+00:00

Wie weit fahren Sie, um 25 Euro zu sparen?

Warum also beträgt der Preisunterschied beispielsweise zwischen zwei Tafeln Schokolade selten mehr als einen Euro, während die Preise für teure Pralinenschachteln um deutlich mehr als einen Euro voneinander abweichen können? Natürlich mag einiges davon abhängen, dass bei teureren Produkten mehr Möglichkeiten bestehen, diese mit anderen, teureren Zutaten herzustellen. Doch möglicherweise liegt es auch daran, dass die Hersteller teurerer Produkte wissen, dass wir bei höheren Preisen unempfindlicher sind. Und so funktioniert das: Sie wollen einen Mantel für 100 Euro kaufen. Durch Zufall entdecken Sie noch im Geschäft, dass der gleiche Mantel in einer Filiale, die etwa 20 Minuten entfernt ist, nur 75 Euro kostet. Fahren Sie zu der Filiale, um den billigeren Mantel zu kaufen?

Schwierige Frage – viele von uns werden sich sicherlich auf den Weg machen, um die 25 Euro zu sparen. Aber was machen Sie in folgender Situation: Sie wollen einen Mantel für 1 775 Euro kaufen. Durch Zufall entdecken Sie noch im Geschäft, dass der gleiche Mantel in einer Filiale, die etwa 20 Minuten entfernt ist, nur 1 750 Euro kostet. Fahren Sie zum anderen Geschäft, um den billigeren Mantel zu kaufen?

Experimente mit solchen Fragestellungen zeigen, dass Menschen im ersten Fall eher geneigt sind, die Fahrt auf sich zu nehmen, im zweiten Fall aber nicht. Obwohl es sich in beiden Fällen um den gleichen Zeitaufwand und die gleiche Ersparnis – 20 Minuten und 25 Euro – handelt, ist es ein Unterschied, ob man die 25 Euro beim Kauf des 100 Euro teuren Mantels oder beim Kauf des 1 775 Euro teuren Mantels spart. Ökonomisch gesehen stimmt hier etwas nicht.

Der rationale, kühl kalkulierende Mensch wägt 25 Euro gegen 20 Minuten ab und überlegt, ob diese 20 Minuten dieses Geld wert sind. Er führt also ein geistiges Konto, auf dem er die Fahrtzeit gegen 25 Euro abwägt – dann spielt es keine Rolle, ob diese 25 Euro auf einen 100 Euro teuren Mantel oder das 1 775 Euro teure Stück gespart werden. Viele Menschen aber beziehen die 25 Euro Sparpotential auf den unmittelbaren Kontext, in dem sie diese sparen können – also auf den Mantel. Wir eröffnen ein mentales Konto „Mantel“, auf dem wir die Ersparnis von 25 Euro mit dem Gesamtpreis vergleichen. In diesem Fall kann es zu dem oben beschriebenen Verhalten kommen: 25 Euro sind im Vergleich zu einem 100 Euro teuren Mantel eine stattliche Summe, mit Blick auf einen 1 775 Euro teuren Mantel hingegen nicht. Und genau das haben viele Personen offenbar bei dieser Frage gemacht: Sie verbuchen die 25 Euro, die man sparen kann, auf dem Konto „Mantel“ und wägen sie gegen den Mantel ab. Beim teuren Mantel scheinen die 25 Euro zu wenig Geld für die Mühen, beim billigen Mantel hingegen muss man einfach zur anderen Filiale fahren, oder? Dieses Phänomen haben wir bereits bei der Prospect Theory kennen gelernt – wir bewerten Gewinne und Verluste anhand eines Bezugspunktes, und der Bezugspunkt ist in diesem Fall der Preis des Mantels. Wir bewerten nicht die puren 25

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