Die Lilie im Tal (German Edition) by Balzac Honoré de

Die Lilie im Tal (German Edition) by Balzac Honoré de

Autor:Balzac, Honoré de [Balzac, Honoré de]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-03-30T22:00:00+00:00


Ich hörte diese schreckliche Klage schweigend an und hielt die schlaffe Hand der Frau in meiner noch schlafferen Hand. Ich drückte sie mit einer Kraft, der Henriette mit gleicher Kraft antwortete.

»Aha – hier stecken Sie!« rief der Comte, der uns barhäuptig entgegenkam.

Seit meiner Rückkehr bestand er darauf, sich in unsere Unterhaltung zu mischen, vielleicht weil er eine Zerstreuung davon erhoffte, vielleicht weil er fürchtete, daß mir die Comtesse ihre Leiden anvertraue, vielleicht aber auch, weil er eifersüchtig war um einer Freude willen, die er nicht teilte.

»Wie er hinter mir her ist!« sagte sie im Ton der Verzweiflung. »Wir wollen in unsern Weinberg gehen und ihm so entfliehen. Bücken Sie sich, solange wir an der Hecke entlanggehen, damit er uns nicht sieht!«

Eine dicke Hecke diente uns als Schutzwall, laufend erreichten wir den Weinberg und waren bald weit vom Comte in einer Allee von Mandelbäumen.

»Liebe Henriette«, sagte ich dann, drückte ihren Arm an mein Herz und stand still, um sie in ihrer Qual zu betrachten, »Sie haben mich früher auf den gefährlichen Pfaden der großen Welt mit Weisheit geleitet. Erlauben Sie mir nun, Ihnen einige gute Ratschläge zu geben, die Ihnen helfen sollen, den Zweikampf, worin Sie unfehlbar erliegen müßten, ohne Sekundanten zu beenden. Sie kämpfen nicht mit gleichen Waffen. Messen Sie sich nicht länger mit einem Wahnsinnigen ...«– »Still!« sagte sie und hielt die Tränen zurück, die aus ihren Augen stürzten. – »Hören Sie mich, Liebe! Nach einer einstündigen Unterhaltung, wie ich sie aus Liebe zu Ihnen ertragen muß, sind meine Gedanken oft verwirrt, mein Kopf ist schwer. Der Comte macht mich irre an meinem Verstand. Dieselben immer wiederholten Ideen graben sich gegen meinen Willen in mein Gehirn. Unzweideutige Monomanien sind nicht ansteckend, aber wenn der Irrsinn sich in der ganzen Art äußert, wie er die Dinge ansieht, wenn er sich hinter beständigen Diskussionen versteckt, kann er schlimme Verheerungen in seiner Umgebung anrichten. Ihre Geduld ist überirdisch. Aber sind Sie nicht ganz erschöpft, fast vernichtet? Um Ihretwillen, um der Kinder willen: ändern Sie Ihr Benehmen zum Comte! Ihre göttliche Nachgiebigkeit hat seinen Eigensinn gefördert. Sie haben ihn behandelt, wie eine Mutter ihr verwöhntes Kind behandelt. Aber jetzt, wenn Sie leben wollen – und Sie wollen es!–, jetzt entfalten Sie die Macht, die Sie über ihn haben! Sie wissen, er liebt und fürchtet Sie. Flößen Sie ihm noch mehr Furcht ein! Setzen Sie seinem schwanken Willen einen geradlinigen entgegen! Dehnen Sie Ihre Macht aus, wie er die Zugeständnisse, die Sie ihm machten, zu erweitern verstand! Schließen Sie seine Krankheit in eine geistige Sphäre ein, wie man Irrsinnige in eine Zelle schließt!« – »Liebes Kind«, sagte sie mit bitterem Lächeln, »nur eine herzlose Frau kann diese Rolle spielen. Ich bin Mutter, ich wäre ein schlechter Henker. Ja, ich weiß zu leiden, aber andere leiden machen? Niemals! Nicht einmal, um edle oder große Zwecke zu erreichen! Und dann: müßte ich mich nicht zum Lügen zwingen, meine Stimme verstellen, meine Stirn wappnen, meine Bewegungen fälschen? ... Ich kann mich wohl zwischen Monsieur de Mortsauf und



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