Die Liebestaeuschung by Hernan Rivera Letelier

Die Liebestaeuschung by Hernan Rivera Letelier

Autor:Hernan Rivera Letelier [Letelier, Hernan Rivera]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
veröffentlicht: 2014-06-06T22:00:00+00:00


12

Es war der letzte Samstag im Juli. Seit den frühen Morgenstunden waren wie an jedem Wochenende lärmende Massen durstiger Bergleute in Pampa Unión eingefallen. Großmäulige Hauer, lässige Werkzeugmacher, ungenierte Angestellte und ganze Trupps feierwütiger Tagelöhner drängten über sämtliche Zufahrtswege in den Ort. Jedes verfügbare Transportmittel war von den Vergnügungssüchtigen gekapert worden und karrte sie aus den umliegenden Siedlungen heran.

Aus den Salpeterminen mit Bahnstation kamen sie im Zug der Strecke Antofagasta–Bolivien und taumelten schon angetrunken aus dem Speisewagen; im brandneuen Ford T wurden sie aus Chacabuco herchauffiert; quietschvergnügt kamen sie in schwankenden Bussen aus Cecilia; singend und zotige Verse dichtend auf altersschwachen Fuhrwerken aus Candelaria; steif vom gedrängten Sitzen, aber prustend vor Lachen auf den Karren der Brotlieferanten aus Araucana; auf Leiterwagen mit Ochsen davor und stimmgewaltig wie bei der Ernte auf den Feldern im Süden kamen sie aus Ausonia; auf Leiterwagen mit Segeln daran ließen sie sich vom Vier-Uhr-Wind ohne Hüte und mit zerzausten Haaren aus Carmela heranwehen; auf Eseln kamen sie aus Perseverancia, auf Maultieren aus Lastenia, auf schweren Ackergäulen aus La Piojillo; sie kamen zu Fuß quer durch die Wüste, in einer endlosen, Staub aufwirbelnden Karawane aus den am nächsten gelegenen Siedlungen.

Als der Abend heraufzog, sah man noch immer vor dem ringsum prächtig entflammten Himmel die Silhouetten ganzer Scharen von Arbeitern, die quer über Land und durch die aufgelassenen Salpeterfelder in den Ort wanderten. »Alle Wege führen nach Pampa Unión«, sagten die Männer staunend. Und an jedem dieser Wege und Pfade durch die Wüste bezeichneten Kreuze und Gedenkhäuschen die Stellen, wo ein betrunkener Bergmann in seinem Blut gelegen hatte, niedergestochen von einem zerlumpten Auswärtigen. Oder wo ein zerlumpter Auswärtiger in seinem Blut gelegen hatte, mit einem Stein erschlagen von irgendeinem finster gesinnten Bergmann. Alltägliche Verbrechen, die stets ungesühnt blieben und aus einem einzigen Grund verübt wurden: um an ein bisschen Geld zu kommen und weiter teilzuhaben an den endlosen Gelagen in den Freudenhäusern der Stadt.

Doch nichts vermochte die gute Laune der vom Staub überzogenen und vom Durst geplagten Wanderer zu trüben, nichts den fröhlichen Auszug der wackeren, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang schuftenden Arbeiter in den einzigen freien Ort der Wüste zu unterbinden, heraus aus der Knechtschaft der mit harter Hand geführten Minen, hinein in das einzige Bollwerk unbeschwerten Daseins. Pampa Unión war der einzige Ort in der weiten Wüste, wo Tagelöhner, Arbeiter und Büroangestellte sich nicht nur vergnügen und ihrer Lust freien Lauf lassen konnten – in den Minensiedlungen wurden »Frauen vom Gewerbe« nicht geduldet –, sondern hier entkamen sie auch für ein paar Stunden dem furchteinflößenden Gebrüll des Vormanns, den inquisitorischen Blicken des Siedlungsaufsehers, dem eisernen Griff des Verwalters und konnten vergessen, wie der hochmütige Gringo, dem die Mine gehörte, den lieben langen Tag vor seinem Haus auf der Veranda saß, Pfeife rauchte und Däumchen drehte.

Bei dieser regelrechten Wochenendinvasion drängten einige der gierigsten Salpeterarbeiter (die Hauer waren immer die gierigsten), ohne sich auch nur den Wüstenstaub von den Kleidern zu klopfen, in bester Eroberungslaune aus der Wüstenglut geradewegs in die quirligen Salons der Freudenhäuser. Andere gingen erst



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