Die Legende der Dunkelheit: Thriller by Doetsch Richard

Die Legende der Dunkelheit: Thriller by Doetsch Richard

Autor:Doetsch, Richard [Doetsch, Richard]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783838718941
Herausgeber: Bastei Lübbe (Bastei Verlag)
veröffentlicht: 2013-04-18T22:00:00+00:00


Kapitel 27

1975

Xiao stieg in San Diego aus dem Flugzeug. Obwohl er in Macao und Hongkong unantastbar war, wurde er von Interpol gesucht, wodurch sich das Reisen schwierig gestalten konnte. Da er aber zur Hälfte ein Weißer war, konnte er leicht verschiedene Staatsangehörigkeiten annehmen, je nachdem, wie er sich kleidete und wie er die Haare trug. Und da er die ersten zehn Jahre seines Lebens in den USA verbracht hatte, sprach er akzentfreies Englisch, und das war wesentlich hilfreicher als eine Verkleidung, denn jeder, der nach Xiao suchte, hielt Ausschau nach einem chinesischen Staatsbürger, der mit einem starken Akzent sprach und unverkennbar chinesische Züge hatte. Niemand kam je auf die Idee, dass sein Vater ein gwailo war.

Er kam zu seinem ehemaligen Elternhaus, und abgesehen davon, dass es jetzt weiß gestrichen war, sah es genauso aus, wie er es in Erinnerung hatte. Ohne zu läuten oder anzuklopfen, betrat er das unverschlossene Haus, sah sich um und erinnerte sich an eine Zeit der Unschuld, an Jahre, in denen der Tod nur die anderen betraf. An der Einrichtung hatte sich nichts geändert – der gleiche Esstisch, die gleichen Sofas im Wohnzimmer. Das alles hatte er in den letzten Jahren nur in seinen Träumen gesehen, aber jetzt war es wieder zum Leben erwacht.

Doch eine Sache war anders: Die Fotos seiner Mutter, die auf dem Tisch in der Diele gestanden hatten, waren verschwunden, und das Hochzeitsalbum seiner Eltern, das auf dem Sofatisch im Wohnzimmer gelegen hatte, war ebenfalls weg. Es war, als hätte sie nie hier gelebt, als hätte es sie nie gegeben.

Xiao ging in das Arbeitszimmer seines Vaters. Auf den Bücherregalen standen Fotos von seinem Bruder Isaac beim Baseballspielen, beim Football und beim Basketball. Da war ein Bild von seinem Abschlussball mit einer durchschnittlich aussehenden Brünetten. Es war eine chronologische Fotoserie, durch und durch amerikanisch, ganz anders als seine eigene Jugend.

Und einen Moment lang empfand er Bedauern und Sehnsucht nach seinem Bruder, den man ihm vor so vielen Jahren genommen hatte. Die Bilder aus Isaacs Leben zu sehen war, als würde er auf einen Traum von seinem eigenen Leben schauen, als sähe er eine Welt, die es hätte geben können.

Manchmal war er in der Nacht schweißgebadet aufgewacht und hatte sich nach der Liebe und der Wärme seiner toten Mutter gesehnt. Und dann dachte er an seinen Bruder, den einzigen Menschen, dem er seines Erachtens trauen konnte, denn obwohl man sie getrennt hatte und jeder auf einem anderen Kontinent groß geworden war, waren sie immer noch Brüder, durch Geburt miteinander verbunden, für immer miteinander verknüpft. Er fragte sich, ob Isaac wohl genauso unter der Trennung gelitten hatte wie er und ob er sich manchmal fragte, wohin sein Bruder wohl verschwunden war, und ob er wusste, was ihr Vater verbrochen hatte, ob er je den Verdacht gehegt hatte, dass ihr Vater ihre Mutter hatte ermorden lassen.

Er hatte oft an Isaac gedacht, aber er hatte nie versucht, Kontakt mit ihm aufzunehmen – bis jetzt. Und obwohl er voller Hass war auf ihren Vater und obwohl er die Absicht hatte, ihn zu töten, sehnte er sich danach, Isaac wiederzusehen.



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