Die Laufmasche by Kerstin Gier

Die Laufmasche by Kerstin Gier

Autor:Kerstin Gier
Die sprache: eng
Format: epub


Die zehnte Gelegenheit

OBWOHL ICH WEGEN der Ralf-Geschichte ehrlich sauer auf Nina war, legte ich nicht gleich auf, als sie mich das nächste Mal anrief.

Sie sagte, sie habe eine Wohnung für mich. Und ehe ich mich darüber freuen konnte, setzte sie hinzu: »Genauer gesagt, ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft.«

»Vergiss es!«, sagte ich.

»Ich habe lange darüber nachgedacht«, rechtfertigte sich Nina. »Aber ich glaube, dass es das Richtige für dich ist, solange du keinen Mann hast. In der WG wohnt eine Mutter aus meinem Eltern-Kind-Kontaktkreis, von der weiß ich das mit dem Zimmer. Sie ist allein erziehend und sagt, die

"WG ist ein fast vollkommener Familienersatz.«

»Vergiss es«, sagte ich noch einmal, aber Nina sprach unbeirrt weiter: »Die wohnen zu viert plus Kind und Katze in einer alten Jugendstilvilla mit Garten. Das Zimmer, das frei wird, liegt in einem Turm und ist wie eine Maisonettewohnung geschnitten. Du hättest sogar ein eigenes Bad.«

Als ich nichts erwiderte, fuhr sie rasch fort: »Die Leute sind echt total witzig. Einer ist Bildhauer, der andere Schreiner, und Wiebke wird mal Schriftstellerin, wenn ihre Kleine aus dem Gröbsten raus ist. Sie haben auch nichts gegen eine zweite Katze im Haus.«

»Und wo soll das alles sein?«

Nina lachte zufrieden. »Du kannst gleich heute Nachmittag vorbeikommen, ich hab' dich schon angekündigt. Es liegt im Dornröschenweg.«

Der Straßenname war echt die Krönung. Nina wusste genau, wie sehr er mein romantisches Herz erfreute. Da ich dachte, es könne nichts schaden, sich die Sache wenigstens mal anzuschauen, fuhr ich gleich nach der Arbeit dorthin. Das Haus stand in einer Reihe mit stuckverzierten Bauten der gleichen Epoche, die mit Hecken und kleinen Vorgärten gegen die ohnehin ziemlich verkehrsarme Straße abgeschirmt wurden, jedes in einer anderen Farbe gestrichen. Dies war blassrosa, die Fenster waren cremeweiß. Es erinnerte an eine köstliche Erdbeersahnetorte und passte farblich auf frappierende Weise zum Straßennamen. Im Vorgarten streckte eine riesige Magnolie ihre kahlen Äste aus. Es gehörte nicht viel Fantasie dazu, sich auszumalen, wie zauberhaft es hier im Frühling aussehen würde. Ich liebte das Haus auf Anhieb.

Eine Frau mit Fransenschnitt öffnete mir die Tür.

»Jürgen ist nicht da«, sagte sie.

»Ich wollte nicht zu Jürgen, jedenfalls glaube ich das«, sagte ich. »Meine Freundin Nina hat ...«

Aus dem Hausflur ertönte lautes Gebrüll. »Aa!«, schrie eine helle Kinderstimme.

»Ich bin ja hier, Sara«, sagte die Frau mit dem Fransenschnitt. Sie musste die Mutter aus Ninas Gruppe sein.

»Hallo«, fing ich noch einmal an. »Ich ...«



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