Die Kunst der Verkostung by Maus Reiner

Autor:Maus, Reiner
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Wein professionell bewerten und beschreiben
Herausgeber: epubli GmbH
veröffentlicht: 2015-06-17T16:00:00+00:00

Der Einfluss des Barrique

Ein sehr guter oder großer Wein braucht immer eine relativ lange Ausbauzeit, um die für die Abfüllung notwendige Struktur zu gewinnen. Edelstahl oder Beton sind als zu neutral für den Ausbau eher selten geeignet. Große Holzkufen sind bei kurzer Belegungszeit ebenfalls relativ neutral, bei längerer Belegungszeit neigen Weine wie schon erwähnt zum Austrocknen und dem Verlust an Frucht. Der Ausbau im Barrique bietet bei manchen Weintypen verschiedene Vorteile. Richtig eingesetzt unterstreicht es durchaus die Vorzüge des Weines, ohne ihn dabei zu sehr zu verfremden.

Die überwältigende Mehrheit der internationalen Spitzenweine wird in Barriques ausgebaut. Diese Weine behalten ihre Frucht, erhalten aber einige der im Holz enthaltenen Nuancen, vor allem Vanille und Nuss oder leichtes Karamell. Das verträgt ein Wein nur, wenn er von Natur aus eine Affinität zu diesen Tönen hat, ansonsten wird sein Eigencharakter sozusagen maskiert oder gar massakriert. Die Mode, diese Fässer zu gebrauchen, ist ansonsten abzulehnen, da sie den Charakter des Weines auf künstliche Weise zu sehr verändert. Die Ausbauzeit in Barriques dauert je nach Art und Güte des Weins in der Regel zwischen ein und zwei Jahren.

Ein wesentliche Grund für den Gebrauch dieser Holzfässer beim Rotwein liegt in der Weinchemie begründet. Im Barrique wird der weineigene Gerbstoff teilweise ausgetauscht durch solchen des Fasses. Die derartige Umstrukturierung der Gerbstoffstruktur nennt man Zyklisation. Die Gerbstoffe des Holzes reifen schneller als die des Weines. Tatsächlich bilden Gerbstoffmoleküle im Laufe der Reife lange Molekülketten. Der Fachbegriff für diese Verkettung lautet Polymerisation. Als wahrnehmbare Folge wird der Wein weicher. In diesem Fall führt das Barrique also zu einer Erhöhung der Harmonie, da der Reifeverlauf von Struktur und Nuancen weniger unterschiedlich verläuft. (s.a. IV.10)

Die geradezu ideale Zufuhr von Sauerstoff durch die Atmung des Holzes ermöglicht die Bildung komplexer Aromen, die sich im Laufe einiger Monate ausprägen. Die Struktur des Weines wird fester, geschmeidiger und homogener. Diese Vorteile des Barrique können natürlich auch für den Ausbau entsprechend geeigneter Weißweine genutzt werden.

Das Verhältnis von Oberfläche Holz zu Volumen Inhalt ist abhängig von der Größe des Gebindes. Bei kleineren Fässern trifft weniger Volumen Inhalt auf mehr Oberfläche Holz als bei größeren Fässern. Gerade beim Barrique ist daher die sensorische Beeinflussung des Weines durch das Holz besonders stark.

Eine wesentliche Rolle spielt hier auch das Alter des Barrique. Neue Fässer geben am intensivsten ihre Nuancen an den Wein ab und fördern den Austausch der Gerbstoffe am stärksten. Je intensiver und kraftvoller das Los, desto länger kann die Ausbauphase im Holz und/oder auch der Anteil neuer Holzfässer sein. Nach einer durchschnittlichen Belegung von 54 Monaten, das entspricht bei einem Spitzengewächs aus Bordeaux dem Ausbau von drei Jahrgängen, sind die Barriques bereits ziemlich ausgelaugt und sollten gegen neue ausgetauscht werden. Die alten Fässer eignen sich dann nur noch für einfachere Weine. Was für Barriques gilt, gilt auch für das Tonneau (912 l Inhalt) und für große Fuder: Sie sind nicht ewig lang einsetzbar. Allerdings haben große Fuder weit dickeres Holz als Barriques. Alle paar Jahre kann man sie innen abhobeln, so ist der Einfluss des Holzes eher wieder wie bei neuerem Holz.

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