Die Kultur der Stadt by Siebel Walter

Die Kultur der Stadt by Siebel Walter

Autor:Siebel, Walter [Siebel, Walter]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2015-11-09T16:00:00+00:00


3.4.1 Stadtkronenpolitik

Mit der Kulturalisierung der Stadtpolitik ändern sich die Planungsformate. An die Stelle einer normsetzenden Planung mittels verbindlicher Flächennutzungs- und Bebauungspläne tritt, wie Lutz Niethammer es mit Bezug auf die IBA Emscher Park genannt hat, »Überredungsdirigismus«. Der Planer agiert nicht mehr hoheitlich, er verhandelt, moderiert, regt an, seine Mittel sind Geld und die Überzeugungskraft modellhafter Projekte. Ihre ausgeprägteste Gestalt gewinnt diese informelle Planung als »Stadtkronenpolitik« (Siebel 2013a). Gemeint ist eine Politik, die ihre verfügbaren Ressourcen auf international konkurrenzfähige Höhepunkte konzentriert, um so ein weithin sichtbares Ereignis zu schaffen. Dazu gehören »Leuchtturm-Projekte« wie das Guggenheim-Museum in Bilbao, große Festivals wie die Ruhrtriennale und »Festivalisierungsstrategien« (Häußermann/Siebel 1993c;) wie Internationale Bauausstellungen.

Stadtkronenpolitik ist zunächst eine besondere Steuerungsform. Sie lenkt nicht hierarchisch mittels Masterplänen, sondern betreibt durch vorbildhafte Projekte eine Propaganda der guten Tat. Mit Projekten werden Probleme nicht gelöst, es wird nur gezeigt, wie eine Lösung aussehen könnte. Darüber hinaus verschieben sich mit einer Stadtkronenpolitik die inhaltlichen Schwerpunkte auf kulturelle Themen: Museen, Konzertsäle, Industriedenkmäler und Kulturfestivals. Die Stadt präsentiert sich als kulturelles Subjekt, sie macht Politik mittels Kultur.

Stadtkronenpolitik setzt auf große Projekte, auf die beträchtliche personelle, finanzielle und Marketingressourcen konzentriert werden. Sie können groß sein, weil im Zuge der Deindustrialisierung große Flächen in manchmal zentraler Lage verfügbar geworden sind. Sie müssen groß sein, weil nur so in einer globalisierten Konkurrenz die Aufmerksamkeit einer internationalen Öffentlichkeit zu erringen ist. Der Leuchtturm soll auch aus weiter Ferne noch gesehen werden. Eine Stadt wie Hannover muß alle Energien bündeln, um wenigstens für die Zeit einer Weltausstellung so hell zu leuchten, daß sie dem Investor im fernen China ins Auge fällt. Mit den großen Projekten sollen aber auch Wirkungen nach innen erzielt werden: Sie dokumentieren politische Handlungsfähigkeit und Tatkraft, sie bieten Anlässe für Stolz auf die eigene Stadt.

Das Interesse der Stadtpolitik an Kultur wurde in den vorangegangenen Abschnitten damit begründet, daß der Kultur sozialintegrative und ökonomische Effekte zugeschrieben werden. Kultur- oder Kreativwirtschaft ist zum Inbegriff all dessen geworden, was sich eine Stadt nur wünschen kann: Bürgerstolz, Umsätze, Arbeitsplätze und höhere Steueraufkommen. Für die ökonomische Bedeutung von Kultur wurden fünf Argumente angeführt: Erstens ist die Kultur- und Kreativwirtschaft ein wichtiger Zweig der städtischen Wirtschaft mit weiter Ausstrahlung in andere Branchen (vgl. Läpple et al. 2015). Zweitens ist Kultur ein Tourismusmagnet, und der Städtetourismus wird zu einem immer bedeutsameren Zweig der städtischen Ökonomie. Drittens gilt Kultur als ein Produktionsfaktor: Ein differenziertes Kulturangebot fördere Lernfähigkeit und Kreativität und damit indirekt das Wachstum der städtischen Ökonomie. Viertens ist Kultur ein weicher Standortfaktor, und weiche Standortfaktoren werden immer wichtiger, weil die harten ubiquitär verfügbar sind, weil die Wissensökonomie auf hochqualifizierte Arbeitskräfte angewiesen ist, und diese von ihrem Wohn- und Arbeitsort ein anregendes urbanes Milieu erwarten. Fünftens schließlich wird die Ökonomie selber kulturalisiert. Schlagworte dafür sind die »symbolische Ökonomie« (Zukin 1995), die »Ökonomie der Aufmerksamkeit« (Franck 1998) oder der »ästhetische Kapitalismus« (Reckwitz 2012).

Nun wäre gegen einen zum ästhetischen Projekt gewandelten Kapitalismus, der mit kunsttheoretischen Kategorien statt mit denen der Marxschen Theorie zu begreifen ist, zunächst einmal wenig einzuwenden. Wie schön, daß Stadtpolitik wieder Großes



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