Die Klinge: Roman (German Edition) by Laymon Richard

Die Klinge: Roman (German Edition) by Laymon Richard

Autor:Laymon, Richard [Laymon, Richard]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2014-03-09T16:00:00+00:00


28 CHARLES’ ABENTEUER

Raskolnikow stand kurz davor, die alte Frau um die Ecke zu bringen, als die Klingel die Stille in Ians Haus zerriss. Er zuckte zusammen, stieß ein Lachen aus, schlug Schuld und Sühne zu und blickte durch das Durcheinander des Arbeitszimmers auf die Wanduhr.

Zehn Minuten nach Mitternacht.

Es klingelte erneut.

Er legte das Buch auf den Sessel und ging zur Tür. Der Granitboden im Flur war kalt unter seinen Füßen. Er schaltete das Verandalicht ein und zog die Tür weit auf.

»Er hat mich beinahe erwischt«, murmelte Charles Perris. »Er hat mich beinahe … kann ich reinkommen?«

Charles trug eine schicke Stoffhose und ein blaues Sporthemd. Das Hemd hing aus der Hose. Es sah feucht aus. Der saure Geruch von Erbrochenem folgte dem Jungen ins Haus.

»Ich hab gekotzt«, verkündete er.

»Kein Grund, sich zu schämen.«

»Haben Sie schon mal gekotzt? Vom Trinken?«

»Natürlich.«

»Ja?«

»So oft, dass ich nicht mehr mitgezählt habe.«

»Im Ernst?«

»Ich mache niemals Witze übers Trinken, Charles. Es ist eine lässliche Sünde und ein großer Trost.« Diese Worte kamen ihm bekannt vor. Er fragte sich, wo er sie aufgeschnappt hatte. »Setz dich. Kannst du einen Kaffee vertragen?«

»Gern.«

In der Küche nahm Ian zwei Tassen aus dem Schrank. Er fühlte an der Seite der Kanne, um sich zu vergewissern, dass der Kaffee noch heiß war. Dann schenkte er ein. »Milch und Zucker?«, rief er.

»Ja, bitte.«

Er goss einen Schuss Milch hinein und beschloss, dass Charles sich selbst um den Zucker kümmern sollte. »Hier.« Er stellte die Kaffeetasse und die Zuckerdose vor dem Jungen auf den Tisch.

»Danke. Das kann ich jetzt wirklich gebrauchen. Ich bin gerade erst aufgewacht. Nach dem Kotzen bin ich eingeschlafen.«

»Woher weißt du, wo ich wohne? Ich dachte, das wäre ein wohlgehütetes Geheimnis.«

»Das Personalverzeichnis der Schule.«

»Wie hast du das in die Finger gekriegt?«

»Er hat es mit nach Hause gebracht. Ich hatte mich in der Abstellkammer versteckt. Ich hab gesehen, wie er es neben das Telefon gelegt hat, als er reingekommen ist. So bin ich auf die Idee gekommen. Ich konnte nicht nach Hause … nicht so besoffen. Deshalb habe ich es mir geschnappt und bin abgehauen.«

»Von wo abgehauen? Wer ist nach Hause gekommen?«

»Mr. Bryant.«

»Lester Bryant?«

Charles nickte. Er schüttete einen Löffel Zucker in seinen Kaffee. Und noch einen.

»Du …« Einen Augenblick lang hatte Ian das Gefühl, den Bezug zur Realität zu verlieren. Er beobachtete, wie Charles einen dritten Löffel Zucker in den Kaffee gab. Dann einen vierten. Er sah den Löffel in die braune Flüssigkeit eintauchen und rühren. Schließlich murmelte er: »Oh Mann. Die Frau, von der du mir neulich erzählt hast – die verheiratete Frau –, ist Helen Bryant?«

»Sie hält mich für einen begabten Dichter«, sagte er, als erklärte das alles.

»Oh Mann.« Ian trank einen Schluck Kaffee. Er schmeckte bitter. Vielleicht war das mit dem ganzen Zucker keine schlechte Idee von Charles. »Wie ist es passiert?«

»Was?«

»Das alles. Wie bist du mit einer deiner Lehrerinnen im Bett gelandet?«

Es wäre viel einleuchtender, wenn die Lehrerin jemand wie Mary Goodwin wäre, dachte er. Mary war nicht so viel älter als die Schüler. Außerdem war sie hübsch, mit einem ordentlichen Vorbau ausgestattet und wild.



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