Die Klangprobe: Roman (German Edition) by Siegfried Lenz

Autor:Siegfried Lenz [Lenz, Siegfried]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Literatur
ISBN: 9783455810837
Herausgeber: HOFFMANN UND CAMPE VERLAG GmbH
veröffentlicht: 2014-10-14T16:00:00+00:00

XI

Wegen einer Katze hätte Hund nicht so ausdauernd gebellt. Katzen, wenn sie sich zu uns verirrten, bellte er nur kurz an und vertrieb sie mit geschauspielerter Erregung, ohne es auf nähere Auseinandersetzungen ankommen zu lassen. An jenem Sonntagmorgen jedoch hatte sein Gebell etwas Unerregtes, da war kein Gegeifer, da überschlug sich nichts; es war eher ein rationelles Gebell, eine Art Pflichtübung, doch da sie nicht aufhörte, stieg ich aus dem Bett und linste durchs Fenster. Ein schwarzgekleideter Mann ging gemächlich über unseren Werkplatz. Er betrachtete die Rohblöcke. Er ging weiter bis zu den Spalieren der Grabsteine und betastete diesen und jenen. Zurückkehrend, warf er einen Blick in die offene Werkstatt, immer von Hund verfolgt, der ihn nicht angriff, nicht nach ihm schnappte, sondern ihn eher verdrossen begleitete und von Zeit zu Zeit zu ihm hinaufbellte. Da sich im Haus nichts regte, zog ich mich rasch an und lief nach draußen, nicht zuletzt, um Hund zu beruhigen, denn wegen seines Gebells hatte ich mir schon mehr als genug anhören müssen. Als ich die Haustür öffnete, kam der Mann sogleich auf mich zu, und obwohl ich ihn erst einmal gesehen hatte, erkannte ich ihn wieder: es war Professor Podworny, der Vater von Thérèse, der Kunsttischlerin. Er sah nicht nur übermüdet, er sah verstört aus, und er entschuldigte sich mehrmals dafür, daß er zu so früher Stunde und noch dazu an einem Sonntag hierher gekommen sei, aber er habe dem Meister eine Bitte vorzutragen, nur das, er werde nicht übermäßig stören, selbstverständlich werde er warten, bis der Meister gesprächsbereit sei. Professor Podworny bat so dringend um ein Gespräch, daß ich es einfach nicht fertigbrachte, ihn wegzuschicken; ich bat ihn nur um ein wenig Geduld und bat ihn außerdem, ab und zu ein Wort an Hund zu richten, denn er hörte wahrhaftig zu bellen auf, wenn man ihn ruhig ansprach.

Mein Alter schlief noch, schlief wie immer so fest, daß ich unbemerkt von ihm ins Schlafzimmer kommen konnte – im Unterschied zu Betty, die sich gleich aufrichtete, nach ihren Zigaretten griff und wissen wollte, was los sei. Betty hatte wirklich den leichtesten Schlaf der Welt. Um meinen Alten sekundenschnell und richtig wachzubekommen, hätte man ihm schon einen Hocker über den Kopf hauen müssen, im Ernst. Jedenfalls gaben wir uns gemeinsam Mühe, ihn zu wecken, Betty und ich; wir beklopften ihn, bufften ihn, hielten ihm die Nase zu, und allmählich regte er sich und blinzelte uns ziemlich gereizt an. Lange sagte er nichts, sondern sah uns nur an aus seinen geröteten Augen, die er immer hatte, wenn er im »Mastkorb« versackt war. Als ich ihm sagte, daß ein Kunde auf dem Werkplatz wartete, schloß er seufzend die Augen und wäre tatsächlich fast wieder eingeschlafen, doch Betty hinderte ihn daran, indem sie den Namen des Kunden nannte. Brummelnd bedachte er sich, rieb sich das Gesicht und tat, was er bestimmt für keinen anderen Kunden getan hätte: er stand an einem Sonntagmorgen auf, wusch sich ein wenig und pellte sich an.

Da er immer noch einen schweren Kopf hatte

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