Die Kinder der Dienstmagd by Roswitha Gruber
Autor:Roswitha Gruber [Gruber, Roswitha]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Rosenheimer Verlagshaus
veröffentlicht: 2015-12-10T16:00:00+00:00
Anna
Elisabeths jüngste Tochter, die Anna, die sie nach dem Unglück, das die Familie getroffen hatte, auf den Thannhof mitbringen durfte, war bis zu ihrer Ausschulung dort geblieben. Das waren immerhin vier lange Jahre gewesen. In dieser Zeit hatte sie, wie die Kinder des Bauern auch, ihre Pflichten gehabt. Daher war sie schon recht vertraut mit vielen landwirtschaftlichen und hauswirtschaftlichen Aufgaben, als sie ihre Schulzeit beendet hatte. Nun hielt es ihre Mutter für angebracht, Anna in fremde Dienste zu geben, damit sie lerne, auf eigenen Füßen zu stehen. Diese Absicht kam dem Wunsch der Tochter sehr entgegen. Es fügte sich, dass wieder mal ein Viehhändler vorsprach, der eine junge Dirn suchte für einen Bauern in Jochberg. Dieser brauchte sie aber nur für ein Jahr. Danach würde seine Tochter ihre Schulpflicht beendet haben und in die Stellung einer Jungdirn nachrücken. Jochberg passte der Anna ganz gut, war es doch für zehn Jahre ihre Heimat gewesen. Auch dass das Arbeitsverhältnis auf ein Jahr begrenzt war, war ihr recht. Das gab ihr doch Gelegenheit, bald woanders reinschnuppern zu können.
Bei dem nächsten Bauern blieb sie auch nur ein Jahr, weil der Bauer ein recht unfreundlicher Mensch war. Der darauf folgende Bauer dagegen war zu ihr zu »freundlich« gewesen. Deshalb zog sie nach einem Jahr weiter. Bei ihrem nächsten Arbeitgeber gefiel es ihr aber ausgesprochen gut, und der war mit ihren Leistungen sehr zufrieden. So stieg sie nach und nach in der Hierarchie auf. Als sie dreißig war, betraute er sie sogar damit, seine Viecher auf die Alm zu begleiten. In der Almwirtschaft war allerdings mittlerweile eine Wandlung eingetreten. Es waren nicht mehr mehrere Personen, die auf der Hütte lebten, um das Vieh zu betreuen, sondern nur eine. Wenn es hoch kam, war noch zeitweilig ein Hütejunge dabei.
Ebenso wie ihre Mutter einst schätzte Anna die Freiheit und das selbstständige Leben auf der Alm. Sie erledigte alle Aufgaben so gut, dass ihr Bauer äußerst zufrieden war.
Auf der Nachbaralm, die dem Prostbauern gehörte, waltete zu dieser Zeit ein junger Senn namens Sebastian seines Amtes. Man begegnete sich schon mal bei der Viehsuche an der Almgrenze, grüßte freundlich und ging seiner Wege. Am Jakobitag aber war für alle Almleute der höchste Feiertag des Sommers. Dieser wurde in der Weise begangen, dass am 25. Juli mal auf der einen, mal auf der andern die benachbarten Alminger zusammenkamen, um ihren Schutzpatron, den heiligen Jakob, zu feiern. Da ging es hoch her. Es gab besonders gute Speisen, die meist von den Hofbesitzern aus dem Dorf mitgebracht wurden, die selbstverständlich mitfeierten. Außer den sonst üblichen Getränken, wie Wasser und Milch, wurde an diesem Abend sogar Branntwein gereicht. Daher trug dieses Beisammensein auch den Namen Branntweinhoargarscht. (Mit Hoargarscht bezeichnet man ein abendliches gemütliches Plauderstündchen.)
Am Jakobitag wurde nicht nur ausgiebig geratscht, es wurde auch gesungen und Musik gemacht. Der eine brachte seine Mundharmonika mit, der andere seine Gitarre, seine Zither oder Klarinette. Ein besonders Wohlhabender hatte sogar eine Zugin (Ziehharmonika), mit der man aufspielte. Da das Leben auf der Alm freier war als im Tal, wo so gut wie keine Tanzvergnügen stattfanden, wurde hier zur Musik sogar getanzt.
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