Die Kartause von Parma by Stendhal

Die Kartause von Parma by Stendhal

Autor:Stendhal
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-06T05:00:00+00:00


Fünfzehntes Kapitel

Zwei Stunden später fuhr der arme Fabrizzio, mit Handschellen versehen und mit einer langen Kette an den Wagen gebunden, den er hatte besteigen müssen, unter Bedeckung von acht Gendarmen nach der Zitadelle von Parma. Es war befohlen, daß sich in den Dörfern, durch die der Marsch ging, alle Gendarmen dem Zuge anschließen sollten. Der Podesta von Castelnuovo gab dem Staatsverbrecher das Geleit. Gegen sieben Uhr abends kreuzte der Wagen, hinter dem alle Straßenjungen von Parma und dreißig Gendarmen hermarschierten, die schöne Promenade, zog an dem kleinen Palazzo vorüber, wo einige Monate vorher Fausta gewohnt hatte, und erschien endlich vor dem Außentor der Zitadelle, gerade in dem Augenblick, als der General Fabio Conti mit seiner Tochter auszufahren im Begriff war. Der Wagen des Kommandanten machte Halt, ehe er über die Zugbrücke fuhr, um den Wagen vorbeizulassen, an den Fabrizzio gekettet war. Der General befahl sogleich, man solle die Tore der Zitadelle schließen, und eilte in das Aufnahmezimmer, um flüchtig nachzusehen, worum es sich handle. Er war nicht wenig überrascht, als er den Gefangenen erkannte, der während der langen Fahrt durch die Fesseln ganz steif geworden war. Vier Gendarmen hatten ihn aus seinem Wagen gehoben und in die Kanzlei geschleppt. ›Jetzt habe ich diesen berüchtigten Fabrizzio del Dongo in meiner Gewalt,‹ sagte sich der eitle Kommandant, ›ihn, der seit Jahresfrist den Hauptgesprächsstoff der Hofgesellschaft von Parma bildet!‹

Zwanzigmal war der General ihm bei Hofe, im Hause der Duchezza und sonstwo begegnet, aber es fiel ihm nicht ein, sich anmerken zu lassen, daß er ihn kannte. Er hatte Angst, sich Unannehmlichkeiten zu bereiten.

»Daß Ihr mir einen genauen Bericht aufsetzt«, befahl er dem Gefängnisschreiber, »über die Auslieferung dieses Häftlings durch den löblichen Podesta von Castelnuovo!«

Barbone, der Schreiber, eine wegen seines gewaltigen Bartes und seines rauhen Auftretens gefürchtete Person, nahm eine noch wichtigere Miene als gewöhnlich an, sozusagen die eines deutschen Kerkermeisters. Da seiner Meinung nach hauptsächlich die Duchezza di Sanseverina die Schuld daran trug, daß sein Vorgesetzter, der Kommandant, nicht Kriegsminister geworden war, so benahm er sich gegen den Gefangenen um so unverschämter. Er redete ihn mit Ihr an, wie man in Italien nur mit Dienstboten zu sprechen pflegt.

»Ich bin Prälat der heiligen römischen Kirche«, antwortete ihm Fabrizzio trotzig, »und Großvikar dieser Diözese. Allein meine Geburt gewährt mir ein Recht auf rücksichtsvolle Behandlung.«

»Davon weiß ich nichts!« entgegnete der Schreiber frech.

»Beweist Eure Behauptungen durch Urkunden, die Euch zu diesen hochehrenwerten Titeln berechtigen.«

Fabrizzio hatte keinerlei Papiere bei sich und antwortete nicht. Der General Fabio Conti, der hochmütig neben seinem Schreiber stand, sah auf die Niederschrift, ohne dem Gefangenen einen Blick zu gönnen. Er wollte nicht gern bestätigen, daß es wirklich Fabrizzio del Dongo war.

Clelia Conti, die im Wagen wartete, vernahm plötzlich einen schrecklichen Lärm im Amtszimmer. Der Schreiber Barbone hatte eine unverschämte und umständliche Beschreibung des Gefangenen aufgenommen und ihm befohlen, seinen Anzug aufzuknöpfen, damit man die Anzahl und den Zustand der bei dem Auftritt mit Giletti empfangenen Wunden untersuchen und feststellen könne.

»Das kann ich nicht«, sagte Fabrizzio mit höhnischem Lächeln. »Ich bin nicht imstande, den Befehlen des Herrn zu gehorchen.



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