Die Kanguru-Offenbarung by Marc-Uwe Kling

Die Kanguru-Offenbarung by Marc-Uwe Kling

Autor:Marc-Uwe Kling [Kling, Marc-Uwe]
Die sprache: eng
Format: epub
Tags: Humour / Satire
Herausgeber: http://c3jemx2ube5v5zpg.onion
veröffentlicht: 2014-06-14T16:00:00+00:00


Die Materiell ansehnliche und sozial klägliche Hebung des Lebensstandards der Unteren

Ich sitze an meinem Schreibtisch und warte auf ein Zeichen von Gott. Das Telefon weigert sich aber zu klingeln. Dafür macht das Känguru schon seit geraumer Zeit im Wohnzimmer Lärm. Wenn ich die Nachbarn wäre, würde ich mich beschweren. Das Telefon klingelt. Hastig nehme ich ab.

“Ja?”, frage ich.

“Was würdest du tun, wenn ich einen Kontakt herstellen könnte zu einem Hollywood-Blockbuster-Produzenten?”, fragt mein Agent.

“Ich würde meine Schreibblockade überwinden und ›Fantasy-Scheiß schreiben‹ von meiner Not-to-do-Liste streichen.”

“Guter Junge”, sagt mein Agent und legt auf.

Ich öffne meine Schreibtischschublade, ziehe meine Not-to-do-Liste heraus, streiche ›Fantasy-Scheiß schreiben‹, welches direkt unter dem bereits gestrichenen Eintrag ›Fortsetzungen schreiben‹ steht, und frage mich, ob es mir Sorgen machen sollte, dass jetzt nur noch durchgestrichene Sachen auf der Liste stehen.

Das Känguru kommt singend zur Tür herein: “Meine Mutti ist Abteilungsleiter, alle Tage, alle Tage steht sie ihren Mann.”

“Diese Ostlieder verstören mich immer wieder”, sage

ich.

“Ich hab dir doch mal erzählt, dass mein Urgroßvater bei Lenin Unterschlupf gefunden hatte, als Lenin noch in Zürich wohnte”, sagt das Känguru.

“Ja?”

“Das muss doch ’ne superinteressante WG gewesen sein. Ich habe gerade in meinem Beutel ein Manuskript gefunden.”

“Und?”

“Ich hatte doch vor ein paar Tagen voll das gute Gespräch mit deinem Lektor. Der sucht händeringend nach guten Autoren. Vielleicht könntest du das mal weitergeben?”

Ich nehme dem Känguru den Stapel Papier ab. Da steht:

Ding Dong. Es klingelte in der Spiegelgasse 10. Wladimir Iljitsch ging zur Tür, öffnete und stand einem Känguru gegenüber. Er blinzelte, kuckte hinter sich, schaute die Treppe runter, dann die Treppe rauf. Kuckte geradeaus. Das Känguru war immer noch da.

“Grüezi”, sagte das Känguru.

Ohne den Kopf zu bewegen, kuckte Wladimir Iljitsch noch mal nach links, nach rechts, auf die Uhr und zum Schluss auf das Känguru.

“Grüezi”, sagte er.

“Ich bin gerade gegenüber eingezogen, wollte mir Eiertätsch backen, und da ist mir aufgefallen, dass ich vergessen habe, Eier zu kaufen …”

Ich gebe dem Känguru die Blätter zurück.

“Und?”, fragt es. “Erster Eindruck?”

“Die meisten historischen Romane kranken ja daran, dass moderne Verhaltens- und Gesprächsweisen einfach unsinnigerweise in vergangene Zeiten verpflanzt werden, das aber scheinst du mir gut gelöst zu haben.”

“Es ist echt kein Wunder, dass dich keiner leiden kann”, sagt das Känguru und wirft sein Manuskript in den Papierkorb.

Ich gehe ins Wohnzimmer, um mein Jo-Jo zu suchen. Es hilft mir beim Nachdenken. “Am besten irgendwas mit Vampiren …”, murmle ich. Wie so oft erweist sich ein einfacher Plan allerdings als unerwartet kompliziert, denn ein fieser kosmischer Raum-Zeit-Vortex hat unser Wohnzimmer mit einem Schrottplatz vertauscht. Unter anderem liegt mir im Weg: eine Horde Gartenzwerge, ein aufgepumptes Schlauchboot, eine Brotbackmaschine, eine Popcornmaschine, zwei Wassersprudler, eine Töpferscheibe, ein Seidenmalereikasten, ein Surfbrett, ein Messerset, ein zerstochener Gymnastikball, Inlineskates, zwei Laminiergeräte, ein riesiges Plüschkänguru, vier Expander, ein Laserdisc-Player, ein Kerzenziehset, ein kaputter Flachbildschirm, ein Hulk-Hogan-Pappaufsteller, ein Amiga, eine Skeletor-Actionfigur, ein C64, vier Videorecorder, Kommissar Rex-VHS-Kassetten …

“Was ist das nur alles für ein Scheiß?!?”, rufe ich.

Das Känguru schlurft ins Wohnzimmer.

“Oh”, sagt es. “Ich habe mal meinen Beutel ausgemistet.”

“Und was ist mit dem ganzen Zeug hier?”

“Übrig.”

“Wo hast du das denn alles her?”

“Geborgt.



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