Die Kamelieninsel by Tabea Bach
Autor:Tabea Bach [Tabea Bach]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-7325-4997-9
veröffentlicht: 2017-05-31T22:00:00+00:00
Sylvia war es gewohnt, in ein Flugzeug einzuchecken, und doch war diese Heimkehr vollkommen anders als sonst. Abgesehen von wenigen Turbulenzen verlief der Flug gut, und schließlich bestieg Sylvia wieder einmal ein Taxi, das sie nach Hause brachte. Scheinwerfer blendeten ihre müden Augen, als sie sie schloss, sah sie das Leuchten der Kamelienblüten aus dem nachtgrünen Laub. Sie sah blaue Unendlichkeit, Himmel und Meer. Und Augen, schimmernd wie die Brandung, unergründlich …
Es war fast elf, als sie ihre Wohnungstür aufschloss. Sie hatte ihr Kommen nicht angekündigt. Im Wohnzimmer brannte Licht.
»Sylvia!« Holger stand in der Tür, ein schwarzer Schemen. Seine Stimme klang überrascht. »Wie schön! Du bist endlich wieder zu Hause!«
Sylvia wappnete sich. So liebevoll, ja, fast überschwänglich, hatte ihr Mann sie in den ganzen zehn Jahren ihrer Ehe noch nie empfangen. Auch wurde sie normalerweise nicht in den Arm geschlossen, wenn sie von einer Reise heimkehrte. Sie ließ sich die Jacke abnehmen und ins Zimmer führen, bemerkte, dass bereits ein zweites Glas auf dem Couchtisch stand, und sah zu, wie Holger es für sie füllte.
»Woher hast du gewusst, dass ich komme?«
Holger sah sie an mit einem Lächeln, das sie schon lange nicht mehr an ihm gesehen hatte.
»Ich hatte so eine Intuition«, sagte er. »Und wie es aussieht, hat sie mich nicht getrogen.« Dann sah er auf sein Smartphone und runzelte die Brauen. »Bitte entschuldige mich einen Moment. Ich muss ganz kurz einen Rückruf tätigen. Ich bin gleich wieder bei dir.«
Und damit verließ er das Zimmer.
Sylvia fror. Noch immer waren ihre Kleider feucht. Doch ehe sie aufstehen konnte, um sich umzuziehen, war Holger schon wieder da, und wie in alten Zeiten, in denen sie noch nicht verheiratet gewesen waren, zog er ihr die Socken aus und rieb ihr die Füße warm.
»Wie war die Reise?«, fragte er. »Möchtest du vielleicht noch etwas essen?«
Sylvia schüttelte den Kopf. Sie war verwirrt. Das war so gar nicht »ihr« Holger. Und je freundlicher und fürsorglicher er war, desto mehr breiteten sich zwei widersprüchliche Gefühle in ihr aus. Benahm sich ihr Mann nicht wie jemand, der etwas zu verbergen hatte? Aber da war noch eine andere Stimme, die ihr im Geheimen die heftigsten Vorwürfe machte: Sie hatte ihren Mann, der so liebevoll war, betrogen, während er in Schwierigkeiten steckte und sie dringend gebraucht hätte. Und mit jedem freundlichen Wort von Holger wuchsen ihr Unbehagen und ihr schlechtes Gewissen.
»Holger«, unterbrach sie ihn schließlich, »das ist alles ganz schrecklich lieb von dir. Ich bin auch froh, wieder hier zu sein. Nur wird es Zeit, dass wir ernsthaft miteinander reden. Thomas hat mir alles erzählt.« Holger verstummte. Er sah gekränkt aus. »Weshalb hast du versucht, das alles vor mir zu verheimlichen?«
Sylvia fröstelte. Eigentlich sollte sie unter die Dusche und dann ins Bett. Doch sie hatten schon so viel Zeit verloren.
»Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst.«
Sylvia starrte ihren Mann an. »Dass ich mir Sorgen mache? Du willst nicht, dass ich mir Sorgen mache? Holger, das ist mein Beruf. Das mache ich andauernd. Die Leute zahlen einen Haufen Geld dafür, dass ich sie vor einer Insolvenz bewahre.
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