Die Julikrise by Mombauer Annika
Autor:Mombauer, Annika
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406661099
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2014-10-20T04:00:00+00:00
5. Vermittlungsversuche der Großmächte
Obwohl ein Kriegsausbruch Ende Juli fast unvermeidbar schien, gab es noch weitere Versuche, die Krise zu entschärfen. Dies könne aber nur gelingen, so der deutsche Botschafter in London, Prinz Lichnowsky, wenn Österreich-Ungarn bereit wäre, «auf weitere Lorbeeren zu verzichten». In London war man im Foreign Office der Meinung, mit der Einberufung einer Konferenz könne man erreichen, «Österreich volle Genugtuung zu verschaffen, da Serbien eher geneigt sein würde, dem Druck der Mächte zu weichen und sich in deren vereinten Willen zu fügen als den Drohungen Österreichs». Aber in Wien war man an einer Verhinderung der Eskalation bekanntlich gar nicht interessiert und weiterhin nicht in Versuchung, den englischen Vorschlägen Folge zu leisten. Man plante sogar, diese mit der Kriegserklärung an Serbien zu unterbinden. So sorgte sich Außenminister Berchtold, als er Kaiser Franz Joseph am 27. Juli die Kriegserklärung zur Unterschrift präsentierte, dass es nicht unmöglich sei, dass die Entente-Mächte immer noch eine friedliche Lösung des Konfliktes finden könnten, «wenn nicht mit der Kriegserklärung eine klare Situation geschaffen wird». Tschirschky berichtete nach Berlin, dass man in Wien zur Kriegserklärung entschlossen sei, um «jedem Interventionsversuch» den Boden zu entziehen.
Am gleichen Tag unternahm Sir Edward Grey in London einen weiteren Versuch, auf Deutschland einzuwirken, um dessen Einfluss in Wien «dahin zur Geltung zu bringen, dass man die Antwort aus Belgrad entweder als genügend betrachte oder aber als Grundlage für Besprechungen». Der russische Botschafter berichtete, Greys Sprache sei «heute viel deutlicher. Er rechnet stark auf Eindruck heute Morgen veröffentlichter [...] für Flotte ergriffener Maßnahmen.» Man hatte in London am 26. Juli beschlossen, die Flotte nach Manövern nicht in die Heimathäfen zurückzuführen, um sie so für eventuelle Mobilmachungsmaßnahmen bereitzuhalten. «Jedenfalls hat das Vertrauen in Berlin und Wien auf Neutralität Englands keine Grundlage mehr», so der Botschafter.
Lichnowsky «fand den Minister zum ersten Male verstimmt». Aus London berichtete der deutsche Botschafter, der einzige deutsche Staatsmann, der zu diesem Zeitpunkt aktiv darum bemüht war, den Ausbruch eines Krieges zu verhindern, dass Vermittlungsbemühungen mehr als nur Frieden bringen könnten. Er stellte auch für die Zukunft bessere Beziehungen mit Großbritannien in Aussicht. Sollte es möglich sein, «durch unser Eingehen auf [Greys] Bitte eine weitere Zuspitzung der Lage zu verhindern, so stehe ich dafür ein, dass unsere Beziehungen zu Großbritannien auf unabsehbare Zeit den vertrauensvollen und intimen Charakter tragen werden, der sie seit anderthalb Jahren kennzeichnet». Diese Zukunftsvision lockte die deutsche Regierung scheinbar nicht. «S. M. missbilligten den Standpunkt Lichnowskys», notierte Bethmann Hollweg. Und weil man seine Friedensliebe nicht billigte und der Meinung war, er «erzähl[e] alles an Sir Edward [Grey] in ungeschickter Weise», wurden ihm von jetzt an wichtige Informationen vorenthalten.
Den erneuten Vorschlag aus London, eine Konferenz einzuberufen, konnte man in Berlin allerdings schlecht rundweg ablehnen. Bethmann Hollweg erklärte Tschirschky dementsprechend, dass es nach dem Ablehnen des ersten Konferenzvorschlages jetzt «unmöglich [sei], auch diese englische Anregung a limine abzuweisen». Täte Berlin dies, «so würden wir von der ganzen Welt für die Konflagation verantwortlich gemacht und als die eigentlichen Treiber zum Kriege hingestellt werden». Dies, so Bethmann, wäre aber vor allem auch innenpolitisch von Schaden, «wo wir als die zum Kriege Gezwungenen dastehen müssen».
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