Die Jugend von heute. Roman by Joachim Lottmann

Die Jugend von heute. Roman by Joachim Lottmann

Autor:Joachim Lottmann [Lottmann, Joachim]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783462317190
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KG
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Wir erreichten den Kunstpark um vier Uhr morgens. Tausende waren noch da, bestimmt nicht weniger als um Mitternacht. Wie im Backstage gab es viele ineinander übergehende Räume, oft Zelte, Holzverschläge, Hallen für sage und schreibe 17 einzelne Clubs! Im Vergleich dazu war Hundertmarks Café Peking ein Schülercafé der Bamberger Vorstadt. Aber natürlich war die Location hier weniger hip als ein Berliner Club. Die Provinz tobte sich hier aus. In aufgehängten Käfigen tanzten Go-go-Girls, die den Verstand verloren hatten: junge Schulmädchen aus Erding in Army-Hosen, obenrum nur mit Muttis Büstenhalter bekleidet, die sich »den Teufel aus dem Leib tanzten« (Eric Ode in »Der Kommissar«). Die überlangen Haare flogen hin und her, die Haut glänzte schweißnaß. Ich verstand nun, warum Jonas am Telefon zu Eli gesagt hatte:

»Wenn du die Päderastenschiene suchst, mußt du in den Kunstpark kommen.«

Ich fragte Eli, wie er prinzipiell zu Provinzgören stehe. Er hob den Zeigefinger, sprach schwerfällig.

»Nach meiner Ideologie muß es ganz logischerweise Brillanten unter ihnen geben. Ich finde sie also gut.«

Wir kamen durch viele Chillrooms, in denen es wie im Restaurant aussah, wie im Café, also wo man reden konnte. Da saßen die Leute auf Holzstühlen, hingen zu dritt, fünft, sechst ab, hörten langweiligen Reggae. Wir sprachen über Julia eins bis vier und über die Frauen im allgemeinen. Elias’ Zunge war schon etwas schwer, aber er gehörte zu den Menschen, die man nie für betrunken hielt, da ihre Rede stets inhaltlich faszinierte, selbst bei gestörter Artikulation. Julia zwo war aus dem Pathos inzwischen hergekommen, tanzte angeblich im Sentinel nur hundert Meter weiter.

»Tanzt Julia zwei denn? Ich dachte, die redet lieber.«

»Ja, wahrscheinlich redet sie. Im Sentinel geht es eher so alternativ zu. Vielleicht ist sie auch in einer der Lounges steckengeblieben. Aber auch Julia eins ist im Laden! Ich habe sie schon gesehen.«

»Nein!!«

»Doch. Es war aber madig. Sie ist gleich weitergegangen. Ich hab ihr noch gesagt, sie soll mich anrufen.«

Während er mit mir redete, führte er andere kleine strategische Gespräche auf dem Handy. Mit Angelus, David, Jonas, Pipo und Julia drei. Julia drei lernte ich kurz darauf kennen. Sie war direkt aus meinem Lieblingsfilm von 1938 »Münchnerinnen« entsprungen. Ich sagte es Eli. Sie trug ein Kleid, hatte Grübchen und lachte verlegen, wenn sie einem artig die Hand gab. War man nicht im Dirty Crash, sondern im Englischen Garten, wurde sie wahrscheinlich rot dabei. Elias sagte, die schwarze Lektorin, die er gesehen habe, sei in Wirklichkeit Kurdin.

»Welche schwarze Lektorin jetzt schon wieder?«

»Habe ich das nicht gesagt? Diese total süße Frau von der Filmparty vorhin! Ich hab mich endsgut mit ihr unterhalten … sie war so süß!«

Mir platzte der Kragen.

»Hör mal, Elinger, laß die Finger von schwarzen Frauen. Du weißt doch, was Lukas für Scheußlichkeiten mit Miranda erlebt hat«, sagte ich eifersüchtig.

»Wieso, die Nacht beginnt doch erst!« lachte er.

Ich erzählte ihm den neuesten Tratsch von Lukas. Auch ich hatte nämlich ein Handygespräch zwischendurch gehabt, auf meinem kiloschweren 1997er Motorola. Lukas hatte geklagt, Miranda habe ihn geschlagen. Er sei mit seiner neuen Liebe, der Tanzschulenfreundin Honey, verabredet gewesen und so weiter. Eli hörte nur mäßig interessiert zu.



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