Die Jagd nach Liebe by Heinrich Mann

Die Jagd nach Liebe by Heinrich Mann

Autor:Heinrich Mann [Mann, Heinrich]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Aufbau-Verlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


* * *

IX.

Das ist sie!

»Einen Strauß!« sagte Ute. »Einen Strauß Blumen von unserer Wiese sollten wir mitnehmen.«

Claude dankte ihr dafür, daß sie diese Wiese liebte, auf der ihr Sommer geträumt hatte. Aber wo waren die Blumen, jetzt, da der Sommer fort war, die Blumen, deren farbige Bäche über die Hügel geronnen waren. Claude und Ute bückten sich nach dem Duft der wilden Orchideen. Sie hatten ihn noch im Sinn, obwohl er verweht war. Sie sahen die blauen Hellebarden der wilden Iris noch in der Sonne glänzen, während der Sturm sie schon zersplittert hatte. Die vielen Augen, mit denen ehemals das Vergißmeinnicht durch das Gitter der Gläser lugte, sie waren alle geschlossen. Schierling, fein und trocken, zerstäubte ihnen zwischen den Fingern. Die fetten Stiele der Herbstzeitlosen warf Ute weg. Und am Ende blutete und zerfiel ein wenig wilder Mohn in ihren Händen.

Der See stürmte, als sie unter dem Verdeck ihres Einspänners an ihm entlang fuhren. ›Welche Wut‹, dachte Claude, ›weil er uns nicht gekriegt hat. Es war so dicht davor.‹

Er sah Ute an; sie dachte offenbar an anderes.

Sie mußte gleich ins Engagement zurück.

»Diesmal darfst du mich spielen sehen. Komme, wenn die Saison richtig im Gange ist.«

Er kam im November, am Abend, während es nebelte, und der Massenschritt von Arbeitern, die man nicht sah, das Pflaster stampfte. Im Hotel schüttelte Claude den Kopf. ›Sonderbar, wozu ist diese Stadt in der Welt. Wenn nicht zufällig Ute, und zwar gerade jetzt, in dieser Minute auf einer Bühne stände …

In dieser Minute! …

Ja, ich bin überzeugt, wenn man durch den Nebel hindurchsehen könnte – es liegt gar nichts dahinter. Die Welt hat sich hier in den Hintergrund eines Theatersaales zurückgezogen, auf die Bretter, die Ute tragen … Aber ist nicht überall Düren – überall gleichgültige, leere Strecke, außer wo Ute steht?‹

Er eilte ins Theater, es war schon halb zehn, und wartete in seiner Loge auf ihr Auftreten, höchst erstaunt, weil sie nicht immerfort auf der Szene war.

Aber das Stück mußte ja gleich zu Ende sein, und sie kam nicht. Was spielten denn die eigentlich? … Sie stand nicht auf dem Theaterzettel! Claude, fassungslos, stürzte hinaus.

»Ist Fräulein Ende krank?«

»Nein, tritt heute nicht auf.«

Das gab es auch? Stücke, worin sie nicht spielte?

Er fuhr bis vor ihr Haus; es war geschlossen. Als er früh um zehn wiederkam, schlief sie.

»Ach«, jammerte die Frau, »das Fräulein geht ja nie vor fünf ins Bett. Was die schreit, da ist das Ende von weg. Ich hab schon aus meinem Schlafzimmer raus müssen, weil ich da meine Ruhe nicht hatte.«

»Wenn Sie dem Fräulein kündigen wollen –«, meinte Claude gekränkt.

»Das auch wieder nicht. Denn sie ist wenigstens solide. Nee, da kann man nichts über sagen. Und was sonst die Damen vom Theater – na, wer an Schauspielerinnen vermietet, der weiß Bescheid … Nee, solide ist die … Sie, mein Herr, sind gewiß – sind gewiß –«

Ja, was war Claude, mit Beziehung auf Ute. Er suchte vergebens.

»Ich komme also wieder.«

Aber da war sie bei der Probe. Er ging hin, ward aber nicht auf die Bühne gelassen.



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