Die Inseln unter dem Winde. Roman by Alexander Lernet-Holenia

Die Inseln unter dem Winde. Roman by Alexander Lernet-Holenia

Autor:Alexander Lernet-Holenia [Lernet-Holenia, Alexander]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105611951
Herausgeber: FISCHER Digital
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


VII

Der Erzähler schwieg und sah Madeleine an; schließlich setzte er hinzu: «Aber so geht es eben – und geht es denn nicht immer so? Zuerst will sich die Zeit zu nichts entschließen, und dann hat sie es auf einmal so eilig, daß man selbst das Notwendigste nicht mehr tun kann. Als Gabriel fort war – ‚wie ein Gestank‘, sagte mein Vater –, wußten wir weder, wohin er ging, noch warum er überhaupt gegangen war; ja wir wurden den Verdacht nicht los, der Theatercoup seiner überstürzten Abreise hinge mit dem Umstande zusammen, daß das Öl, von dem er behauptet hatte, es sei im See, gar nicht im See sei. Natürlich stieg ich anderntags, trotz argem Schneetreiben, wieder hinauf; aber ich fand nichts – das Wasser schien viel bräunlicher als gewöhnliches Seewasser, das war wahr, doch wußte ich’s längst, und ich konnte auch nicht finden, daß es nach Öl röche. Immerhin ging uns die Sache so sehr nach, daß wir beschlossen, Fachleute einzuladen, die den See untersuchen sollten.

Ich tat es mit den zwiespältigsten Gefühlen. Daß ich selber das Öl nicht feststellen konnte, oder daß nicht solche Mengen davon im See schwammen, um die ganze Gegend zu verpesten, war mir klargeworden. Anders hätte man’s ja auch schon längst entdeckt gehabt. Es würde also – so sagte ich mir – zuletzt darauf ankommen, die Ölquelle dort, wo sie in das Seewasser sprudelte, abzufangen, bevor sie sich maßlos verdünnte – alles unter der Voraussetzung, daß es die Quelle überhaupt gab. Gab es sie aber wirklich – was würde geschehen? Ich meine: was mußten die Folgen für uns, für das Gut, für die ganze Umgebung sein? Zunächst, offenbar, ein jähes Hinaufschnellen unserer Kreditwürdigkeit, unserer Finanzen, ja des Wohlstandes im ganzen Tale. Und dann?

Mit besonderer, ja peinigender Eindringlichkeit beschäftigten mich diese Gedanken an jenem Tage, an welchem die Experten, frühmorgens, angekommen und gleich zur Höhe gestiegen waren, wo man ihnen, in einer Almhütte, Betten und Proviant vorbereitet; denn sie hatten angekündigt, daß es nötig sein werde, die Untersuchungen auf mehrere Tage zu erstrecken. Ich stand am Fenster und hatte es geöffnet, denn das warme Wetter war wiedergekommen, und die Sonne schien auf das Fensterbrett und auf den Boden des Zimmers; und das Holz des Fensterbretts, auf dem die Farbe, weil die Sonne schon seit so vielen Jahren darauf schien, zersprang und abblätterte, und das alte Holz, aus welchem der Parkettboden gebildet war, begannen in der Wärme zu duften. Die Sonne schien auch auf die ganze Wand des Hauses und auf das alte Schindeldach des Eckturms, der ursprünglich ein Turm gegen die Awaren gewesen und ein wenig niedriger war als das Haus; und in der Sonnenwärme stieg noch etwas Feuchtigkeit flimmernd vom Dache auf. Auch im Garten, unter den Fenstern, schmolzen die letzten Schneereste fort, und die silbergrauen Äste des Nußbaums schimmerten in der Sonne. Das alles war in jedem Frühjahr so gewesen, und immer wieder, wenn die Sonne um das Haus gekommen war und die Mauer und das Dach beschienen hatte, war noch ein wenig Feuchtigkeit flimmernd



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