Die Insel der Verlorenen - Roman by Restrepo Laura
Autor:Restrepo, Laura [Restrepo, Laura]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Luchterhand
veröffentlicht: 2011-07-24T22:00:00+00:00
Mexiko-Stadt
– heute –
Ich beschäftige mich mit Tirsa Rendón, indem ich alte Romane und Dokumente vom Beginn des Jahrhunderts lese, um etwas über die Soldatenfrauen in Erfahrung zu bringen. Es gibt nicht viel, was über sie geschrieben worden ist. Sie waren die Hündinnen des Krieges. Heldin und Hure in einem, marschierten die Soldatenfrauen mit der Truppe und folgten ihren juanes zu Fuß, während die Kerle Pferde hatten.
Manche waren in der Liebe launisch und schlüpfrig, schliefen für ein paar Pesos mit einem Mann und verließen ihn am nächsten Morgen. Manche waren treu und blieben bis in den Tod, riskierten ihr Leben, um ihm einen Schluck Wasser zu bringen, stahlen oder zettelten Messerstechereien an für ein Huhn, das sie ihm zu essen gaben. Sie waren die Frauen der Truppe, die Töchter des rauen Lebens. Verdreckt, zerlumpt und betrunken waren sie, wie ihre juanes. Tapfer und zärtlich wie sie.
Sie hatten viele Aufgaben, waren unentbehrlich. Ohne sie wären die Soldaten vor Hunger, vor Dreck und vor Einsamkeit eingegangen. Unentwegt randalierend und kreischend trugen sie die Wasserkrüge auf den Köpfen, schleppten das Gepäck und die Fleischvorräte. An den Flussufern wuschen sie die eigenen Röcke und die Uniformen ihrer Kerle. Am Abend kamen sie in die Kasernen oder in die Lager und kochten das Essen, gebratenes Hühnchen, Truthahn, ließen fettige Suppen garen, warfen Teigklöße ins Feuer. Zum Schlafen legten sie sich auf den Boden, deckten sich mit ihren sarapes zu, verschränkten die Beine mit denen der Soldaten. An frostigen Morgen sangen sie mit durchdringenden Stimmen corridos und mañanitas und wärmten die Luft mit dem Dunst frischen Kaffees. Danach sammelten sie ihre Siebensachen ein und setzten sich in Marsch, sobald die Offiziere brüllten: »Raus mit den Weibern!« Sie waren es auch, die das Beten übernahmen: für die lebenden Soldaten, damit sie nicht starben, und für die toten, damit sie nicht in der Hölle litten. Mehr als an Jesus oder den Heiligen Geist glaubten sie an Teresita Urrea, die Heilige von Cábora, eine lebendige Muttergottes aus Chihuahua, epileptisch und katatonisch und wundertätig, die ihre Gewehre segnete, damit jeder Schuss ein Toter wurde. Sie riefen die Soldatenfrauen um Schutz an und trugen zwischen den Brüsten Skapuliere mit einem Fetzen von Teresitas armseligen Kleidern oder einer Locke ihrer heiligen Haare. Wenn ein Soldat starb, waren die Frauen es, die ihn beweinten: mit viel Gefühl und einem weithin vernehmbaren Wehklagen, wenn sie den Toten geliebt hatten; lustlos und wie eine lästige Pflichtübung, war er ein Unbekannter.
Sie waren auch fürs Plündern zuständig. Nach der geschlagenen Schlacht und wenn ihre Leute gewonnen hatten, verschafften sich die Soldatenfrauen Zutritt zu besiegten Dörfern und verlassenen Gehöften. Dort trampelten sie auf Verwundete und schoben die Leichen mit dem Fuß beiseite, um alles kaputt zu schlagen, in Brand zu setzen und, was brauchbar war, zu rauben, um dann blutverschmiert, rußgeschwärzt und siegestrunken mit der Beute bepackt zurückzukehren.
Sie waren versierte Schmugglerinnen. Im Mieder, in den Windeln ihrer Kinder und den Stapeln ihrer Tortillas versteckten sie Marihuana-Blätter. Sie entzogen sich geschickt den Kontrollen und Durchsuchungen in den Kasernen, um sie ihren juanes zu bringen.
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