Die Heimkehr der Stellings - Roman by Langen Müller

Die Heimkehr der Stellings - Roman by Langen Müller

Autor:Langen Müller
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-7844-8179-1
veröffentlicht: 2014-05-05T04:00:00+00:00


Siebzehntes Kapitel

Hauptmann Stelling aus Hamburg und Feldwebel Baiermickel aus Rosenheim kauerten hinter der Mauer eines Lüftungsschachtes auf dem Dach des Bunkers in der Berliner Marquardstraße. Ihr eigentlicher Einsatzort, die Fernsprech- und Funkzentrale, lag zwölf Etagen tiefer im Keller. Aber nachts mussten sie, nachdem auch die letzten kriegstauglichen Männer an die Ostfront abkommandiert worden waren, die Flugabwehrkanone auf dem Dach bedienen. Hubert Baiermickel mit seiner zerschossenen linken Hand war frontuntauglich, und Conrad Stelling hatte noch immer den Splitter im Oberschenkel.

Es ist verdammt ungemütlich, dachte Conrad und zog die Füße bis unter den Mantelsaum. Er sah auf die Uhr mit den Leuchtziffern, die ihm Laura zum fünfundvierzigsten Geburtstag geschenkt hatte. Noch zwei Stunden bis zur Ablösung, dachte Conrad, hoffentlich bleibt die Nacht ruhig. Zwischen ihm und Hubert lag das tragbare Funkgerät auf dem Betonboden. Atmosphärisches Rauschen und die Suchsignale anderer Funkstationen unterbrachen die Stille. Es war sternenklar und windstill in dieser Nacht.

»Ein Wetter wie gemacht für einen Angriff«, flüsterte Hubert. Die beiden Männer sahen sich um. Trotz der nächtlichen Stunde waren Häuser und Straßenzüge deutlich zu erkennen. Rechts von ihnen schlängelte sich die Spree durch das Gewirr von Häusern und Ruinen, und weit im Westen blinkten die Havel und der Wannsee auf. In verschiedenen Stadtteilen flammten noch Feuer der letzten Angriffe. Obwohl Feuerwehren aus der ganzen Provinz zur Bekämpfung herangezogen wurden, brachten sie die zahllosen Brände schon lange nicht mehr unter ihre Kontrolle.

»Die Feuer sind die reinsten Wegweiser«, rief Conrad wütend, »da nützt die ganze Verdunkelung nichts.«

Das Rauschen im Funkgerät wurde lauter, dann kam die krächzende Stimme mit der Ankündigung der Bomberverbände. Die Männer beugten sich über den Apparat, um die Ansage genau zu hören. Kamen die Verbände über Stendal herein, waren es die Amerikaner und die Briten, kamen sie über Eberswalde oder Guben, waren es die Russen.

In diesem Augenblick heulte die erste Sirene auf, die beiden konnten nichts mehr verstehen. Andere Sirenen folgten. Im Südwesten, in Richtung Potsdam und gleich darauf auch im Südosten über Königs-Wusterhausen kreuzten sich die langen Finger der Suchscheinwerfer am wolkenlosen Himmel. »Heute kommen sie wieder von allen Seiten«, flüsterte Hubert und legte die Munition zurecht. Conrad war aufgestanden und suchte mit dem Nachtglas den Horizont ab. Das Dröhnen der Bomber wurde lauter. Dann erkannte Conrad die Masse der Flugzeuge, weil sie den Blick zu den Sternen verhinderten. Wie eine unheilvolle schwarze Wand schoben sich die Maschinen über den Himmel. Dann wurden sie von den stummen steilen Streifen der Scheinwerfer erfasst.

»Verdammt niedrig heute«, brummte Hubert und richtete sein kleines Geschütz den Flugzeugen entgegen. Conrad kauerte wieder neben ihm, verantwortlich für den reibungslosen Nachschub der Munition. Und dann brach die Hölle über die beiden Männer auf dem Bunkerdach herein. Druckwellen, Bombensplitter, Betonbrocken, Brandbomben – Himmel und Erde waren in gleißendes Weiß getaucht, die Begleitmaschinen beleuchteten das Inferno mit grellen Leuchtkugeln. Die beiden Männer auf dem Bunkerdach verschossen die gesamte Munition. Dann zogen sie sich zum Abstiegsschacht zurück, öffneten die schwere Stahlluke und sprangen hinunter in die dunkle Sicherheit der meterdicken Betonwände.

Die schweren Bombenangriffe dauerten noch eine Woche, dann wurde es ruhiger am Himmel über der Reichshauptstadt.



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