Die Hebel der Macht by Arnim Hans Herbert von

Die Hebel der Macht by Arnim Hans Herbert von

Autor:Arnim, Hans Herbert von [Arnim, Hans Herbert von]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne Verlag
veröffentlicht: 2017-02-12T16:00:00+00:00


Verantwortliche Personen

Wird es für die Wähler aber zunehmend unmöglich, zwischen den einzelnen Parteien zu unterscheiden, ihnen eine bestimmte Politik zuzurechnen und sie dafür verantwortlich zu machen, sollten sie zumindest die Personen bestimmen können, die politische Ämter innehaben. Damit sind wir beim zweiten Modell der Wettbewerbsdemokratie: der Regierung verantwortlicher Personen. Hier kommt es weniger darauf an, für welches Programm die Partei steht, als darauf, welche Personen zur Wahl stehen. Doch in Wahrheit können Wähler in Deutschland nicht einmal über die Personen entscheiden.

Wer Bundeskanzler wurde, stand schon lange vor der Bundestagswahl 2009 definitiv fest, nämlich Angela Merkel. Hätte es mit Westerwelles FDP nicht gereicht, hätte sie mit Steinmeiers SPD die Große Koalition fortsetzen können. In beiden Fällen würde sie als Bundeskanzlerin weiterhin die Richtlinien der deutschen Politik bestimmen. Und den Ausgang der Bundestagswahl 2013 mit dem Absturz der FDP und die anschließende Große Koalition unter Angela Merkel konnten die Wähler erst recht nicht voraussehen.

Wer Abgeordneter wird, entscheidet der Wähler schon gar nicht. Die meisten Abgeordneten stehen in Deutschland auf Grund parteiinterner Nominierungen schon lange vor der Wahl definitiv fest. Viele Wahlkreise gelten als »sicher«, weil eine Partei dort aus soziologischen Gründen dominiert. In diesen Wahlkreisen kann die herrschende Partei den Bürgern auch höchst mittelmäßige Abgeordnete aufzwingen.60

In anderen Fällen ist der Ausgang im Wahlkreis zwar ungewiss. Doch die Kandidaten sind zusätzlich über die starren, vom Wähler nicht zu verändernden Parteilisten abgesichert, sodass jedenfalls die auf die vorderen Plätze der Parteilisten gesetzten Kandidaten sicher sein können, auch dann ins Parlament zu kommen, wenn sie im Wahlkreis keinen Erfolg haben.61

Können die Bürger die Abgeordneten auch dann als ihre Repräsentanten anerkennen, wenn sie sie in Wahrheit gar nicht gewählt haben, frei und unmittelbar, wie es das Grundgesetz in Artikel 38 ausdrücklich vorschreibt? Dass nicht die Bürger, sondern ganz überwiegend die Parteien bestimmen, wer ins Parlament kommt, erschüttert die ganze Konzeption von der repräsentativen Demokratie, von der das Grundgesetz ausgeht. Das Parteienmonopol ließe sich nur aufbrechen, wenn man die starren Parteilisten beseitigen würde.62 Zugleich müsste man Vorwahlen einführen, damit die Wähler auch in sicheren Wahlkreisen eine Auswahl vornehmen können.63

Der größte Hemmschuh für grundlegende Reformen unserer demokratischen Infrastruktur besteht in den Eigeninteressen der politischen Klasse, die unser Wahlsystem samt Ochsentour und Absicherung der Wahlkreiskandidaten auf starren Listen hervorgebracht hat. Dieses Wahlsystem beruht, wie auch andere Regeln der Macht, auf Entscheidungen des Bundestags in eigener Sache, die der Bundestag im Sinne der politischen Klasse gestaltet und dabei notwendige Verbesserungen blockiert.

Da wir nicht an der Klagemauer verharren wollen, stellt sich die Gretchenfrage mit aller Macht: Wie lassen sich Systemreformen dennoch durchsetzen? Dafür kommt vor allem der »Common Sense« des Volkes, der gesunde Menschenverstand der Bürger selbst in Betracht (siehe hier).



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