Die Hartz IV Ratte: Tagebuch einer Bettlerin (German Edition) by Iris Bücker

Autor:Iris Bücker [Bücker, Iris]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783842307636
Herausgeber: Books on Demand
veröffentlicht: 2015-01-23T16:00:00+00:00

12.03.2010

Heute steh ich vorm Supermarkt und wieder eilen die Menschen grußlos und mit vorwiegend mürrischer Miene an mir vorbei.

Über meinem PC an der Wand hängt eine Postkarte mit einer Gebirgslandschaft und einem schönen klaren See. Auf ihr steht etwas, das Mahatma Gandhi gesagt hat: „Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst für diese Welt!“ Also fang ich mal damit an, mich zu verändern und grüße ab sofort jeden Menschen, der hier an mir vorbei geht, mit einem freundlichen „Guten Morgen!“ in Zimmerlautstärke. Gleich die erste alte Dame erschreckt sich dermaßen, daß sie fast das Gleichgewicht verliert. Hopla, denk ich, es scheint zu wirken. Und tatsächlich – nach 3 Stunden habe ich glatt 5 Zeitungen verkauft. Für die knapp 10 Euro geh ich wieder Milch, Suppe und Hundefutter kaufen. Der Tag ist gerettet. Vor einigen Jahren noch hätten mir 10 Euro ein müdes Lächeln abgerungen. In diesen Zeiten jedoch sind 10 Euro ein Vermögen. Ich beschließe weiterhin hartnäckig zu grüßen, mit einem sehr freundlichen Lächeln.

Wenn ich das lange genug mache, ändert sich vielleicht wirklich auch etwas bei meinen Mitmenschen. Wie war noch mein Spruch: Never give up – Gib niemals auf!

Auch mit meinen Bewerbungen gebe ich nicht auf. Was tut frau nicht alles, um keine Hartz-IV-Ratte mehr zu sein. Wann immer mir eine Idee kommt, zieh ich die auch durch.

Vorletztes Jahr bewarb ich mich für „Das perfekte Dinner“ – aber meine Küche war zu klein, um darin einen Dreh zu machen. Das hätte 600 Euro für die Teilnahme gebracht, auch wenn ich nicht gewonnen hätte.

Letztes Jahr war es Big Brother. Große Hoffnung, überhaupt ins Casting zu kommen, hatte ich nicht. Doch genau an dem Tag Ende Oktober, an dem ich umzog, bekam ich tatsächlich einen Anruf von Endemol. „Wir finden Ihre Bewerbung ganz toll und möchten Sie zum Casting am 13.11. in Köln einladen.“ Genial, denke ich. Wenn ich meine Bude fertig eingerichtet habe, zieh ich vielleicht wieder um – ins BB-Haus. Zum Casting fahre ich mit einem Kumpel. Gecastet wird in einem schönen Hotel, nach dem Empfang müssen alle erstmal warten.

Ich bediene mich eifrig an den frischen Croissants und lecker belegten Brötchen, spart mir wieder eine Mahlzeit. Mir gegenüber sitzt Klaus, den ich vor kurzem schon mal in der Talentshow gesehen habe. Ein Porno-Darsteller, der sich ziemlich krass kleidet. T-Shirt und Jeans haben genau da riesige Löcher, wo er am Körper tätowiert ist. Ich unterhalte mich ganz gut mit ihm. Auch Pluto, der Obdachlose, ist mit seinem Hund in meiner Castinggruppe.

Zu 8 Leuten werden wir dann von der Jury in Augenschein genommen und müssen diverse Aufgaben erfüllen, allein und auch zusammen. Das alles in grellem Scheinwerferlicht, so daß wir die Jury-Mitglieder gar nicht erkennen können. Aber ich vermute mal, daß zum Beispiel Erika Berger dabei war. Danach mußten wir alle wieder in den Warteraum, durften aber nicht mehr miteinander sprechen. Bereits nach 5 Minuten kam eine Dame und teilte mir mit, ich könne schon gehen. Das würde aber nicht bedeuten, daß ich jetzt raus sei. Aber 2 Wochen später bekam ich dann doch den Anruf mit der Absage.

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