Die Haimonskinder by Lise Gast

Die Haimonskinder by Lise Gast

Autor:Lise Gast [Gast, Lise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-05-04T23:00:00+00:00


„Ihr seid aber tüchtige Sänger!“ lobte die Großmutter und lachte die Geschwister an, „das laß ich mir gefallen. Könnt ihr nicht noch was singen — ich meine, alle zusammen? Anders, du auch mit — vielleicht sogar einen Choral? Ich hab schon den ganzen Tag solche Sehnsucht darnach, zu schade, daß heute nicht Sonntag ist. Ich wäre so gern heute in die Kirche gegangen, aber extra einen Gottesdienst halten für mich alte Frau, das konnte dein Vater doch nicht.“

Anders nickte ihr zu. Sie stellten sich um das Klavier, und er spielte eine ganz kurze Einleitung. Dann sangen sie zu viert mit klaren und erstaunlich gut ineinanderpassenden Stimmen „Lobe den Herren.“

Alle Verse — sie konnten sie auswendig, und keiner von ihnen wäre auf den Gedanken gekommen, etwa nach dem ersten oder zweiten aufzuhören. Gegen Ende trat der Pastor leise ein, sein Gesicht leuchtete in einer stillen, ein wenig wehmütigen Freude, als er auf die singende Jugend sah. Seine Mutter nahm seine Hand und streichelte sie. Ach ja, Jungchen ...

„Und nun wollen wir essen und ganz schrecklich fröhlich sein und dankbar, daß ich diesen Tag erlebte“, sagte die Großmutter und wischte sich lächelnd eine Träne von der Backe, „servieren mußt du, Anders, die Suppe ist schon in der Terrine!“

„Auf keinen Fall, das tu ich!“ sagte Christine und wurde dunkelrot ob ihrer Kühnheit, blieb aber tapfer dabei, als Anders ihr zuvorkommen wollte, „ich finde schon in die Küche, ich hab’ sie doch vorhin gesehen!“

Es war alles wunderbar vorbereitet. Pastors hatten kein Mädchen, sondern nur eine Aufwartefrau, die täglich für die grobe Arbeit kam, alles andere tat die Großmutter noch selbst. Heute aber durfte sie nur die Suppe ausgeben und das Fleisch teilen, Christine wechselte die Teller und mahlte hinterher den Kaffee, der seit Monaten für diese Gelegenheit aufgespart worden war; sie tranken ihn aus winzigen, geblümten Moccatassen, die in der Glasvitrine standen. Und keiner kleckste — Wolf und Ulla hatten ihren besten Tag und benahmen sich wie wirklich manierliche, wohlerzogene Kinder — es war ein gelungenes Fest. Der Pastor rauchte eine Zigarre, während sie noch schwatzten, ehe Großmutter sich hinlegte. „— ja, das mußt du, wo wir soviel weibliche Hilfe haben, das ist einfach eine Selbstverständlichkeit.“

Sie gab lachend nach. Inzwischen hatte Christine eine Schürze gefunden und half dem Donnerbesen, wie Anders die Aufwartefrau nannte, beim Abwasch — sie konnte sich gut vorstellen, daß Frau Wiemann ein bißchen Angst um ihr gutes Geschirr hatte. Aber es kam alles heil und unversehrt in den Schrank zurück, auch das Silber, das genau so zärtlich klang beim Einräumen wie das Silber zu Hause ...

„Sie haben ganz entzückende Geschwister, Fräulein Ron“, sagte Großmutter Wiemann am Abend, als sie einen Augenblick miteinander allein waren. „Christine, solch ein liebes Mädel, und so geschickt und tüchtig bei all ihrer Bescheidenheit. Und Ulla, die strahlt doch geradezu vor Gesundheit. Wie bringen Sie das nur fertig in der Stadt? Sie können doch unmöglich satt werden?“

„Ach doch, jedenfalls hoffe ich, daß wir es diesen Winter werden können. Und Ulla ist ein guter Futterverwerter, sie hätte auch runde Backen bei noch weniger Essen.



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