Die Gefangene des Kardinals by Petra Gabriel
Autor:Petra Gabriel [Gabriel, Petra]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-10-23T04:00:00+00:00
Johanna blickte hinüber zum Schlachtfeld. Es war noch immer mit Toten und Verwundeten übersät. Überall standen Kutschen und Karren zwischen den Leichen und den Verletzten. Dann sah sie das Zelt des Herzogs. Die erbeuteten Standarten und Fahnen waren davor aufgestellt worden und flatterten in der Sommerbrise. Der letzte Schein der untergehenden Sonne brach sich in dem Berg von Waffen, die ebenfalls beim Zelt aufgetürmt worden waren.
»Wäre Gott nicht mit uns in dieser Zeit …« Die Worte des 24. Psalms, gesungen von tausenden von Kehlen, legten sich über die Szenerie. Da erhob Daniel Rückner, der Hofprediger des Herzogs, seine Stimme zum Dankgebet. Die Männer fielen auf die Knie. Viele von ihnen waren verwundet an Armen oder Beinen. Selbst die rund fünfhundert Schwerverwundeten waren auf Bahren herbeigebracht worden, um beim Dankgottesdienst für diesen von Gott geschenkten Sieg dabei zu sein – im Namen jener weiteren fünfhundert Kameraden, die ihr Leben in dieser Schlacht gelassen hatten.
Johanna wusste, dass die Überlebenden zurück aufs Schlachtfeld gehen würden, wenn der Gottesdienst zu Ende war. Bernhard von Weimar hatte seinen Männern die gesamte Ladung der Wagen des kaiserlichen Proviantzuges überlassen. Und auch die Toten würden ihrer Besitztümer beraubt werden. Sie brauchten sie nicht mehr.
Johannas Augen suchten den Herzog. Sie stand etwas abseits bei den Frauen. Sonst war ihr Platz immer an seiner Seite, außer im Gottesdienst und nach einer solchen Schlacht. An diesem Abend gehörte er nur seinen Männern.
Sein müdes Gesicht war von tiefen Falten durchzogen und grau vor Erschöpfung. Johanna machte sich Sorgen um ihn. Er war schon seit längerem krank. Doch sie freute sich mit ihm. Sie hatte ihn schon lange nicht mehr so glücklich und erleichtert gesehen. Die feindliche Armee war vollständig vernichtet. Sie konnte Bernhard von Sachsen-Weimar nun nicht mehr daran hindern, den Belagerungsring um Breisach immer mehr zu befestigen. Jeder der Anwesenden bis hinunter zum kleinsten Gemeinen wusste, was das bedeutete: Ein entscheidender Schritt zur Eroberung der so lange ersehnten Festung war getan. Dreimal hatte Herzog Bernhard vor den Wällen Breisachs gestanden. Dreimal hatte er wieder abrücken müssen. Doch dieses Mal würde ihm niemand den Sieg nehmen.
Ein Höllenlärm riss Johanna aus ihren Gedanken. Die Kanonen verkündeten donnernd den Sieg des Herzogs, Musketenschüsse hallten über das Schlachtfeld. Bernhard von Weimar wandte sich ab und ging in sein Zelt. Er hätte gerne noch mit den Männern gefeiert. Doch er war müde, todmüde. Er sank auf sein Lager. Johanna war ihm gefolgt. Sie fand einen tief schlafenden Mann. In voller Montur lag er da, fast wirkte er wie ein Kind. Zärtlich streichelte sie ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Der Kammerdiener des Herzogs kam herein, um zu sehen, ob sein Herr noch Wünsche hatte. Die dicken Lagen von Teppichen, die im Zelt ausgerollt waren, dämpften seine Schritte. Johanna legte die Finger an die Lippen und bedeutete ihm zu gehen. Lasst den Herzog. Lasst ihn schlafen. Geht und feiert mit den anderen, guter Mann. Es wird in der nächsten Zeit viel Kampf und wenig Gelegenheit für Vergnügen geben.
Der Mann verschwand mit einer stummen Verbeugung. Johanna nahm eine zusammengefaltete Felldecke und legte sie über den Herzog.
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