Die Gamant-Chroniken 2: Die Rebellen von Tikkun by O'Neal Kathleen M

Die Gamant-Chroniken 2: Die Rebellen von Tikkun by O'Neal Kathleen M

Autor:O'Neal, Kathleen M. [O'Neal, Kathleen M.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-03-29T11:42:31+00:00


KAPITEL

26

Dannon lag mit dem Gesicht nach unten in einem engen Kabelschacht und versuchte, etwas Schlaf zu finden. Seine ohnehin schon abgewetzte schwarze Robe hatte in den letzten vierundzwanzig Stunden stark gelitten, während er versucht hatte, sich mit einem der magistratischen Offiziere auf Deck sieben in Verbindung zu setzen.

In der Dunkelheit hinter seinen geschlossenen Lidern fluteten Erinnerungen hoch. Die vielen verletzten und sterbenden Gamanten vermischten sich mit den stummen Fragen und dem Schmerz in Jeremiels Augen. In Neils Innerem tobten die Emotionen wie aufgescheuchte Hornissen. Seine Gedanken wanderten zu den Saloons auf Vensyl zurück. Er und Jeremiel hatten in einer der Nischen an der Außenwand Platz genommen, von wo aus man einen herrlichen Blick auf die zerklüfteten Bergspitzen hatte, die sich vor dem Vollmond in den Himmel bohrten. Er erinnerte sich so genau an diese Szene, daß er fast wieder den Pinienduft roch, der vom Wind herangetragen wurde.

Wann war alles aus dem Ruder gelaufen? Neil durchwühlte seine Erinnerungen, doch er konnte den genauen Zeitpunkt nicht bestimmen. Irgendwann, irgendwo hatte die Untergrundbewegung aufgehört, lediglich eine Hilfsorganisation für in Bedrängnis geratene Gamanten zu sein, und sich in eine regelrechte Kriegsmaschinerie verwandelt. Und von da an gab es nur noch eine Regel: Hart zuschlagen und schnell weglaufen.

Er hatte Jeremiel angefleht, innezuhalten und sich genau anzusehen, was aus ihnen geworden war. Doch das hatte Jeremiel nie getan. Selbst jetzt hatte er seine tiefe Stimme noch im Ohr: »Der Wirbelsturm hat uns gepackt und schleudert uns wild herum, daß ich nur eine Möglichkeit sehe, ihm zu entkommen – indem ich in sein Zentrum vorstoße.«

»Aber, Jeremiel …«

Dannons Finger zitterten, als er das Gesicht in den Händen vergrub. Wie viele unschuldige Menschen waren gestorben, während sie über gamantische Rechtschaffenheit salbaderten? Auge um Auge.

Nach einer Weile hieß es fünf Augen für eins – sie rechtfertigten sich dafür mit dem Hinweis auf frühere magistratische Greueltaten. Dann waren es zehn zu eins … zwanzig zu eins.

Und schließlich konnte Neil es nicht mehr ertragen. Als sie den Angriff auf Silmar planten, hatte er sich innerlich zusammengekrümmt, als er hörte, mit welcher Unzahl von Opfern sie rechneten. Davor hatte er nicht länger die Augen verschließen können.

Als er damals während der Strategiesitzung aufgestanden war, hatte er genug gehabt von all dem Schrecken, von den Schreien, die ihn nachts in seinen Träumen heimsuchten, von den angstverzerrten Gesichtern der Kinder, die durch von Kanonen verwüstete Straßen irrten.

»Jeremiel«, hatte er gesagt, »komm, laß uns ein Bier trinken und miteinander reden.«

Baruch hatte nachdenklich die Stirn gerunzelt. Seine Augen schienen in weite Fernen zu blicken – in Gedanken war er längst bei der Schlacht, die er gerade so gründlich und effektiv geplant hatte. Schließlich hatte er Dannon freundlich auf die Schulter geklopft und gesagt: »Ich muß noch mit Rudy sprechen“. Es gibt da ein paar ballistische Probleme, die wir dringend durchsprechen müssen. Später, ja? Vielleicht morgen, wenn wir …«

Aber es hatte kein Morgen gegeben. Neil hatte seine Entscheidung auf der Stelle gefällt. Dann hatten die Magistraten angefangen, zurückzuschlagen, und ganze gamantische Welten waren ihrer Vergeltung zum Opfer gefallen.

Dannon stöhnte leise.



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