Die Friesenhexe by Karla Weigand

Die Friesenhexe by Karla Weigand

Autor:Karla Weigand
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: PeP eBook
veröffentlicht: 2012-04-24T04:00:00+00:00


DREIUNDREISSIG

Ein unliebsamer Zwischenfall

DER PASTOR HATTE SICH KÜRZLICH einen braunen Jagdhund zugelegt, den er »Odin« nannte. Er sollte den Maulwürfen zu Leibe rücken, die in großer Zahl auf Föhr lebten und durch das Graben von Löchern und unterirdischen Gängen nur Unheil anrichteten, indem sie für etliche Beinbrüche bei den wenigen Pferden und Kühen auf der Insel verantwortlich waren.

Es handelte sich bei Odin um einen mittelgroßen, kräftigen Rüden, vor dem viele Kinder und sogar manche Erwachsene Angst hatten. Kerrin hingegen liebte das Tier abgöttisch – eine Zuneigung, die Odin zu erwidern schien. Monsieur Lorenz war glücklich, dass sie mit dem Hund stundenlange Spaziergänge unternahm, zu denen er selbst leider keine Zeit fand.

Die langen Ritte auf ihrer Stute Salome, kreuz und quer über die Geest und durch die Marschwiesen, begleitet von Odin, während der Wind von See her ihr dichtes rotgoldenes Haar zerzauste und ihr das Blut in die Wangen trieb, würde sie an Bord wohl sehr vermissen.

Am 14. Februar 1696, einen Tag vor ihrer Abreise, unternahm sie noch einen allerletzten Ausritt. Zahlreiche Dörfler begegneten ihr dabei, die, mit Prickern und Keschern bewaffnet, Fischen und Krebsen zu Leibe rückten, welche die Flut regelmäßig in die Priele spülte. Diese Wasserläufe durchzogen die Marschen in großer Zahl. Die meisten waren schmale Rinnsale, aber manche von ihnen erreichten eine Breite von fast vier Ellen.

Da man nicht so weit springen konnte und auch nicht so viele Brücken bauen wollte, behalfen sich die Insulaner mit langen Stöcken, die sie fest in den Ufergrund rammten, um sich dann mit Schwung über den Priel tragen zu lassen. Vor allem die Jungen hatten ihren Spaß daran, aber auch ältere Leute benützten diese Methode, um zu den Äckern und Wiesen zu gelangen und schnell von einem Feld zum anderen wechseln zu können. Kerrin erinnerte sich an manchen Spaß, den sie unter Gleichaltrigen bei Wettkämpfen mit dem Springstock schon erlebt hatte.

An diesem Tag mied sie auf ihrem Querfeldeinritt die Dörfer; die letzten Stunden sollten ganz allein ihr gehören. Sie wollte nicht mehr angehalten werden, um Heilkräuter zu verteilen oder jemandem die Hand aufzulegen. Ihren Arzneimittelkorb hatte sie ohnehin schon in einer der zwei riesigen Reisekisten ihres Vaters verstaut.

Da das Wetter kalt war und es zudem immer wieder nieselte, war Kerrin in einen »Bollfanger« gehüllt, einen Schlechtwetterumhang, der ihren Kopf mit einer Kapuze schützte und bis zu den Knöcheln reichte.

Ihr Ziel war heute die Lembecksburg bei Borgsum, von den Insulanern auch »Borgsumer Burg« genannt. Die alten Leute auf der Insel behaupteten, es handele sich bei ihr, wie bei der kleineren Anlage bei Utersum, um ehemalige Wikingerbauten. Aber Oheim Lorenz Brarens war der Meinung, die Funde, die man dort ausgraben konnte, bewiesen, dass dem keineswegs so war.

»Es sind Fluchtburgen unserer heimischen Bevölkerung«, pflegte er zu erklären, »errichtet gegen die Raubzüge der Wikinger. Die Burganlagen waren damals von Wasser umschlossen und konnten gut verteidigt werden.«

Die Borgsumer Burg ragte ziemlich mächtig aus dem flachen Gelände empor. Der Innenraum der Ruine besaß einen Durchmesser von gut 20 Ruthen und war von einem hoch aufragenden Ringwall umgeben. Man konnte sogar noch Überreste von Häusern innerhalb der Anlage erkennen.



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