Die Freude am Leben by Emile Zola
Autor:Emile Zola [Zola, Emile]
Format: mobi, epub
Tags: Roman
Herausgeber: TUX
veröffentlicht: 2010-02-22T23:00:00+00:00
Kapitel VII
Das Hin und Her mit der Trauerfeier und einigen zu erledigenden Angelegenheiten hielten Lazare und Pauline zwei Tage in Caen zurück. Als sie nach einem letzten Besuch auf dem Friedhof heimkehrten, hatte sich das Wetter geändert, ein böiger Wind blies über die Küsten. Sie fuhren bei strömendem Regen von Arromanches los, der Wind wehte so heftig, daß das Verdeck des Wagens fortgerissen zu werden drohte. Pauline erinnerte sich ihrer ersten Reise, als Frau Chanteau sie von Paris hierhergebracht hatte: Das war bei einem ebensolchen Sturm gewesen, die arme Tante hatte ihr verboten, sich aus dem Wagen zu beugen, und hatte ihr alle Augenblicke das Halstuch wieder festgebunden. Auch Lazare sann in seiner Ecke vor sich hin, sah seine Mutter auf dieser Landstraße wieder, wie sie jedesmal, wenn er heimkehrte, ungeduldig darauf wartete, ihn zu umarmen: Einmal im Dezember war sie zwei Meilen zu Fuß gegangen, hatte er sie auf diesem Grenzstein sitzend gefunden. Der Regen fiel ohne Unterlaß, das junge Mädchen und ihr Cousin wechselten von Arromanches bis Bonneville nicht ein Wort.
Indessen hörte der Regen auf, als man ankam; aber der Wind nahm an Heftigkeit zu, der Kutscher mußte absteigen, um das Pferd am Zügel zu nehmen. Endlich hielt der Wagen vor der Tür, gerade als der Fischer Houtelard vorbeilief.
»Ah, Herr Lazare!« rief er. »Diesmal ist alles hin! Es zerschlägt Ihnen Ihre Wellenbrecher.«
Man konnte von dieser Biegung der Straße aus das Meer nicht sehen. Der junge Mann blickte auf und gewahrte Véronique, die auf der Terrasse stand und zum Strand hinuntersah. Auf der anderen Seile hatte Abbé Horteur aus Furcht, der Wind werde seine Soutane zerfetzen, an seiner Gartenmauer Schutz gesucht und schaute ebenfalls dorthin. Er beugte sich vor und schrie:
»Es reißt Ihre Buhnen weg!«
Da ging Lazare den Abhang hinunter, und Pauline folgte ihm trotz des schrecklichen Wetters. Als sie unterhalb der Felsenküste herauskamen, waren sie betroffen von dem Schauspiel, das sich ihnen bot. Die Flut, eine der Septemberhochfluten, stieg mit ungeheurem Getöse; sie war nicht als gefährlich angekündigt worden, aber der Sturm, der seit dem Abend zuvor von Norden blies, ließ sie so übermäßig anschwellen, daß Wasserberge sich vom Horizont erhoben, sich heranwälzten und an den Felsen zerschellten. In der Ferne war die See schwarz unter dem Schatten der Wolken, die über den bleiernen Himmel fegten.
»Geh wieder hinauf«, sagte der junge Mann zu seiner Cousine. »Ich schaue einmal nach und komme gleich zurück.«
Sie antwortete nicht, sie folgte ihm weiter bis an den Strand. Dort hielten die Buhnen und ein großes Pfahlwerk, das man erst kürzlich gebaut hatte, einem fürchterlichen Angriff stand. Die immer gewaltiger werdenden Wogen schlugen eine nach der anderen wie Sturmböcke an; und ihr Heer war unzählbar, immer wieder warfen sich neue Massen dagegen. Große grünliche Rücken mit Schaummähnen wogten unendlich dahin, näherten sich unter einem gewaltigen Druck; dann flogen in der Wut des Anpralls diese Ungeheuer selber als Wasserstaub auseinander, fielen in weißem Gischt hernieder, den die Flut aufzusaugen und wieder fortzutragen schien. Unter jedem dieser Einstürze krachte das Balkenwerk der Buhnen. Einer waren bereits
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