Die Freiheit des Subjekts bei Schleiermacher by Katharina Gutekunst

Autor:Katharina Gutekunst
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Walter de Gruyter
veröffentlicht: 2019-02-15T00:00:00+00:00

5 Ein Seitenblick auf Psychologie, Philosophische Ethik und Dialektik

Die Notwendigkeit beschränkt die Freiheit gar nicht, sondern beides ist dasselbe nur von verschiedenen Seiten angesehen.746

In diesem Kapitel wird der Untersuchungsgegenstand der Studie auf die Psychologie, die Ethik und die Dialektik ausgeweitet und damit auf diejenigen Texte Schleiermachers, die für das Freiheitsthema relevant sind, denen aber kein eigenes Kapitel gewidmet wurde. Ausgangspunkt ist dabei die Annahme, dass die Freiheitsthematik im Themenkreis sittlicher, handlungstheoretischer, psychologischer und erkenntnistheoretischer Überlegungen zur Sprache kommen wird und dass daher Schleiermachers Vorlesungen, Vorträge und Schriften in diesem Gebiet in die Untersuchung mit einbezogen werden sollten.

Dazu werden zunächst (5.1) seine Vorlesungen zur Psychologie (SW III/6) von 1818, 1821747, 1830 und 1833/4 analysiert. Von diesen liegen Notizen Schleiermachers aus den Jahren 1818, 1830 und 1833/34 vor, für die 1830er Vorlesung zudem eine Nachschrift von Leopold George.748 Sodann (5.2) werden Schleiermachers Veröffentlichungen und Vorlesungen zur philosophischen Ethik in den Blick genommen: Von den 1804 als erste genuin wissenschaftliche Veröffentlichung gedruckten ‚Grundlinien einer Kritik der bisherigen Sittenlehre‘749 (KGA I/4, 27 – 358) über die 1805/06 – 1832 gehaltenen Vorlesungen zur Philosophischen Ethik750 bis zu den 1818 – 1830 gehaltenen Akademievorträgen, in denen er die Grundgedanken seines ethischen Systems in veröffentlichungsreifer Form zusammenfasste. Abschließend (5.3) wendet sich die Untersuchung den Vorlesungen zur Dialektik zu (KGA II/10,1 – 2), die 1811, 1814/15, 1818/19, 1822, 1828 und 1831 gehalten wurden.751

Die Ethik war diejenige philosophische Disziplin, mit der sich Schleiermacher schon in seinen frühen Jahren intensiv beschäftigt und denen er von den drei hier genannten Themengebieten die größte Aufmerksamkeit geschenkt hat. Die Grundlinien – eine Veröffentlichung von fast 500 Seiten – waren das nächste Projekt Schleiermachers im Anschluss an die Monologen, verfasst in der Stolper Einsamkeit 1802 – 1804, und damit ein Übergangswerk zwischen den frühen Schriften (Kap. 1 und 2) und den Veröffentlichungen seiner späten Jahre (Kap. 3 und 4).752 Die Grundlinien sind zusammen mit den Akademievorträgen die einzigen von Schleiermacher selbst veröffentlichten Schriften, die diesem Kapitel zugrunde gelegt werden können; sie werden jedoch für die freiheitstheoretische Analyse der ethischen Schriften eine nur untergeordnete Rolle spielen, die sich in erster Linie auf die Vorlesungen bezieht. Das Brouillon entwarf Schleiermacher 1805 als Vorlage zu seiner zweiten Ethik-Vorlesung in Halle; damit entwickelte er nach der Kritik in den Grundlinien nun einen eigenen ethischen Entwurf. Die weiteren Vorlesungen und Akademievorträge entstanden während seiner Professur in Berlin ab 1810, also parallel zu den in Kap. 3 und 4 besprochenen Schriften, dies gilt auch für die Vorlesungen zur Psychologie und zur Dialektik. Philosophische Ethik und Dialektik sind dabei die beiden Kernfächer des schleiermacherschen Systems der Wissenschaften, wie er es in seiner zweiten Berliner Zeit umreißt.753

Die Quellensituation in den drei Bereichen eint, dass es sich fast ausschließlich um Vorlesungen handelt, die nur als Notizen Schleiermachers oder als Nachschriften vorliegen. Weder wurden die Texte von Schleiermacher zur Veröffentlichung freigegeben, noch lassen sich aus den zum Teil nur fragmentarischen oder thesenartigen Aufzeichnungen die Argumentationen immer eindeutig rekonstruieren. Darüber hinaus steht die Interpretation vor dem Problem, dass die Aussagen aus verschiedenen Vorlesungszyklen weder vorschnell vereinheitlicht werden sollten, noch einer (vorzugsweise der letzten) Version der Vorzug gegeben werden kann.

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