Die Frauen von Clare Valley by McInerney Monica

Die Frauen von Clare Valley by McInerney Monica

Autor:McInerney, Monica [McInerney, Monica]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Australien, Familiensaga, Irland, Roman
Herausgeber: Goldmann
veröffentlicht: 2013-06-16T23:00:00+00:00


Kapitel 13

Gast 1

Als Neil sein Zimmer verließ, sah Rick überrascht auf.

»Jetzt guck nicht so schockiert.«

»Bin ich aber, tut mir leid. Ich hab dich seit Wochen nicht gesehen.«

»Ich muss zum Arbeitsamt.«

»Stimmt, da war was in der Post. Sind die dir auf den Fersen?«

Ein Schulterzucken. »Der übliche Mist. Wollen mir die Bezüge kürzen, wenn ich nicht ›persönlich vorstellig‹ werde.«

»Willst du hinterher was trinken gehen?«, fragte Rick. »Geht auf meinen Deckel.«

»Nein, danke.«

Rick wartete, bis die Wohnungstür zugefallen war. Und noch ein wenig länger, damit Neil auch sicher fort war. Denn was Rick nun tun würde, brach alle Regeln unter Mitbewohnern. Aber wie oft bekam man einen Anruf wie den am Vortag bei der Arbeit von Neils Mum? Sie war in Tränen aufgelöst gewesen. »Ich mach mir solche Sorgen um ihn, Rick. Er behauptet zwar immer, dass alles okay ist, doch das stimmt nicht. Nimmt er etwa Drogen? Ist es das? Hast du beobachtet, dass er irgendetwas nimmt? Oder trinkt er?«

Rick hatte ihr die Wahrheit gesagt. »Ich sehe ihn kaum noch. Er bleibt die ganze Zeit in seinem Zimmer.«

»Irgendetwas stimmt da nicht, das weiß ich. Bitte, Rick, könntest du in seinem Zimmer nachsehen? Irgendwann muss er das Haus doch mal verlassen.«

»Eben nicht, Mrs Harris, tut mir leid, er hockt in seinem Zimmer, wenn ich zur Arbeit gehe, und auch, wenn ich nach Hause komme. Er macht wohl gerade eine harte Zeit durch. Und will seine Ruhe haben.«

»Aber das geht schon monatelang so. Rick, bitte, wenn sich irgendeine Gelegenheit ergibt, könntest du mal nachsehen? Ob Drogen oder Alkohol im Spiel sind? Wenn ich weiß, was los ist, kann ich vielleicht was unternehmen.«

»Aber ich schnüffle doch nicht rum!«

»Rick, bitte, ich komme bald um vor Sorge.«

Schließlich hatte er widerstrebend eingewilligt. Auch er hatte sich anfangs Sorgen gemacht, als sich Neil in seinem Zimmer verbarrikadiert und auf jeden Vorstoß, ein Bier zu trinken oder etwas essen zu gehen, mit einem Nein reagiert hatte. Doch er konnte nicht ewig vor verschlossener Tür herumrufen und versuchen, Neil zu irgendwelchen Unternehmungen zu überreden. Irgendwann hatte er’s kapiert. Neil wollte seine Ruhe. Konnte Rick verstehen. Ging ihm auch manchmal so.

Doch Mrs Harris hatte nicht lockergelassen. Und das war wahrscheinlich die beste und einzige Gelegenheit auf lange Sicht. Wer weiß, wann Neil das Haus noch mal verließ. Rick ging zu Neils Tür. Bestimmt war sie abgeschlossen. Neil war in letzter Zeit so geheimnistuerisch, er würde seine Zimmertür kaum offen stehen lassen. Sie war verschlossen. Doch Neil ahnte sicher nicht, dass Rick einen Ersatzschlüssel hatte. Der Mietvertrag lief auf seinen Namen, er hatte zu allen Zimmern einen Zweitschlüssel. Er kam sich mies vor, schäbig, doch er musste die ganze Zeit an Mrs Harris denken. Rick holte den Schlüssel und öffnete die Tür.

Als Erstes fiel ihm der Geruch auf. Es stank nicht nach Alkohol oder irgendwelchen Drogen, es roch nach abgestandener Luft. Die Jalousien waren unten. Die einzige Lichtquelle war der Computermonitor, der in einer Ecke leuchtete. Der Drucker, ebenfalls eingeschaltet, summte. Daneben stand das Radio. Es war stumm.

Rick machte kein Licht an. Vom Flur kam genügend Helligkeit.



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