Die Frau zwischen den Welten: Roman (German Edition) by Lind Hera

Autor:Lind, Hera [Lind, Hera]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Diana Verlag
veröffentlicht: 2020-12-14T00:00:00+00:00

33

Prag, März 1965

»Genossin Gregorová, bitte kommen Sie zu einer organisatorischen Besprechung ins Čedok-Büro, wir haben eine mehrtägige Reise in die DDR für Sie! «

Inzwischen hatten wir ein eigenes Telefon.

OH! Mein einziger mehrtägiger Auftrag war bisher eine Reise ins Riesengebirge gewesen. Hastig zog ich mein hellblaues Hochzeitskostüm mit dem Logo des staatlichen Reisebüros an. Wie wundervoll! Vielleicht zur Leipziger Messe? Mein Herz hüpfte vor Freude!

»Tante Franziska, könntest du bei Alina bleiben?«

Meine gute alte Tante Franziska war inzwischen da, meine Bastion im Kampf gegen Pavel!

»Natürlich, Ella. Mach dir keine Sorgen. Ich hole sie nachher von der Schule ab.«

»Und wenn Pavel dir blöd kommt, schließ einfach von innen ab.«

»Der kommt mir nicht blöd. Ich bin eine Waldarbeiterin und habe ein Jahr im Gefängnis gesessen.« Sie tat so, als würde sie zu einem Kinnhaken ausholen. »Wir zwei verstehen uns schon.«

»Aber du darfst nicht für ihn kochen und ihm nicht die Wäsche waschen, sonst gilt das Trennungsjahr nicht.«

Sie lachte. »Ich bin ja nicht mit dem Schönling verheiratet! Keine Angst, Kind, mit dem werde ich schon fertig.« Sie schob mich zur Tür hinaus: »Du siehst übrigens toll aus. Dass dein Hochzeitskostüm noch mal zur Reiseleiteruniform werden würde …«

»Not macht erfinderisch, Tante Franziska!«

Sie winkte mir. »Hab Spaß, Kind!«

Hastig rannte ich auf meinen dunkelblauen Pumps zur Straßenbahn. Im Besprechungszimmer des Reisebüros begrüßte mich mein Chef Waldemar Wanzek wie immer sehr freundlich.

»Da sind Sie ja, Genossin Gregorová.« Er wies mit der Hand auf zwei andere Personen: »Ihre Kollegin, Petra Krasnenková, kennen Sie ja schon, und das hier ist Dr. Milan Berner, der begleitende Arzt für die vorgesehene Reise. «

Ein mittelgroßer Mann mittleren Alters mit mittlerem Aussehen, Trenchcoat und Brille schüttelte mir die Hand. Unauffälliger ging es wohl kaum. Na, den schicken die bestimmt mit, damit er mich beobachtet!, schoss es mir durch den Kopf. Ich lächelte ihn unverbindlich an.

»Genossinnen, Genosse, die nächste Reise geht zur Leipziger Mustermesse. Sie begleiten eine Reisegruppe von vierunddreißig Messebesuchern aus Prag und Umgebung und stehen ihnen als Dolmetscher für Fachfragen zur Verfügung.«

»Selbstverständlich.«

»Natürlich, gern.«

Ich ließ den Typen im Trenchcoat, der sich gerade ein bisschen sehr eifrig in ein Messe-Fachblatt vertiefte, nicht aus den Augen. Dass er es nicht falsch herum hielt, war auch schon alles. Der hatte überhaupt keine Ahnung von unserem Job, so viel war klar! Petra und ich wechselten einen raschen Blick. Auch wenn Petra keine Vertraute war, dürften wir das Gleiche gedacht haben: Eindeutig ein DUHO. Das war ein damals oft benutztes Kürzel für Důležité hovno : »Wichtige Scheiße«.

Innerlich zog ich mich sofort in mein übliches Schneckenhaus zurück, während ich äußerlich freundliches Interesse an den Tag legte. Aber ich freute mich auf die Reise! Schließlich konnte ich meiner Ehehölle so für ganze fünf Tage entfliehen – und seit Tante Franziska mit ihrer robusten Art das Zepter schwang, endlich auch mit gutem Gewissen. Fast musste ich grinsen, wenn ich mir ausmalte, wie gewissenhaft die »Trennung von Tisch und Bett« mit Pavel eingehalten werden würde.

»Genossin Gregorová? Haben Sie noch Fragen?«

Am liebsten hätte ich gesagt: »Muss ich wirklich alles melden, was ich sehe, selbst wenn

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