Die Flicks: Eine deutsche Familiengeschichte um Geld, Macht und Politik by Ramge Thomas

Die Flicks: Eine deutsche Familiengeschichte um Geld, Macht und Politik by Ramge Thomas

Autor:Ramge, Thomas [Ramge, Thomas]
Format: epub
ISBN: 9783404615933
Herausgeber: Campus
veröffentlicht: 2006-08-14T22:00:00+00:00


|146|IV. Die Flicks und das Wirtschaftswunder

Die Richter hatten ihr Urteil gesprochen. Friedrich Flick wanderte ins Kriegsverbrechergefängnis in Landsberg am Lech. Der Bau, in dem bereits viel Politprominenz des Dritten Reiches einsaß, war nicht frei von historischer Symbolik. Gut 20 Jahre zuvor hatte hier Hitler, nach seinem misslungenen Putsch in München, Mein Kampf geschrieben. Otto-Ernst Flick, bis Prozessende in Nürnberg als Zeuge inhaftiert, kehrte Anfang 1948 zu Frau und Kindern zurück, die er drei Jahre nicht gesehen hatte. Als Kronzeuge im Prozess hatte er keinen Familienbesuch empfangen dürfen. Frau Barbara und seine beiden Söhne, Mick und Muck genannt, hatte es in der Zwischenzeit an den Starnberger See verschlagen, wo sie in einem kleinen Drei-Zimmer-Holzhaus auf einem Hügel mit Seeblick wohnten. Die nach Alliiertenrecht benannten Treuhänder des Konzerns ließen der jungen Familie eine kleine Apanage zukommen. »Personal hatten wir damals keins. Unserer Mutter hat das nichts ausgemacht. Sie war immer eine praktische Frau. Die Zeiten waren, wie sie waren, und sie hat einfach zugepackt«, erinnert sich der ältere Sohn Gert-Rudolf. Barbara Flick verdiente mit Übersetzungen hinzu, die beiden Jungs lebten glückliche Kindertage. »Ich war den ganzen Tag in der Natur, hatte nur zwei Lederhosen und zwei Pullis wie alle anderen Jungs auch. Ich habe mich mit meinem großen Bruder wunderbar geprügelt und vertragen. Und in meinen Zeugnissen stehen so Sachen wie: ›Friedrich nannte den Herrn Direktor einen Hundsfott.‹ Oder: ›Friedrich schubste ein Mädchen in eine gewisse Rinne‹«, berichtet Friedrich Christian, der Jüngere. In der Dorfschule wurden die verschiedenen Klassenstufen wegen Platzmangel |147|alternierend morgens und nachmittags unterrichtet, und so ging der kleine Mick oft auch noch mit dem großen Bruder Muck in den Unterricht. Der alleinerziehenden Mutter war das nur recht.

Auch nach seiner Entlassung aus der Zeugenhaft hatte der Vater Otto-Ernst laut Militärgesetz 52 keinen Zugriff auf das Familienvermögen. Das stand weiterhin unter »property control«. Der Stammhalter machte sich daran, eine eigene Existenz aufzubauen, und erinnerte sich wohl an den Aufstieg seines Vaters. In München eröffnete Otto-Ernst Flick die Stahlhandlung Süd-Ferrum und machte – wie einst FF nach dem Ersten Weltkrieg – in eisenknappen Jahren gute Geschäfte mit Schrott. Den ließ er in der noch intakten Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg zu Stahl verarbeiten, um ihn wieder über Süd-Ferrum zu verkaufen. Die Begeisterung des »Alten« über die geschäftlichen Ambitionen seines Sohnes soll sich in Grenzen gehalten haben. Regelmäßig besuchte Familie Otto-Ernst Flick den Patriarchen in Landsberg. Muck Flick, damals um die sechs Jahre alt, erzählte: »Wir packten Äpfel für den Großvater ein und nahmen den alten DKW, der noch mit Holz fuhr. Durch ein Gitter konnten wir dann ein bis zwei Stunden mit ihm sprechen, bewacht von zwei Militärpolizisten mit blank geputzten Helmen.«

In den ersten Wochen in Landsberg musste Friedrich Flick Hosen nähen und Schuhe besohlen. Dann stieg der Lesemuffel zum Registrator der Gefängnisbibliothek auf, was ihn offenbar inspirierte, selbst zum Stift zu greifen. Er begann seine Autobiografischen Merkworte. Nach 13 Seiten hatte er keine Lust mehr und wandte sich wieder seiner eigentlichen Bestimmung zu: Aus der Zelle heraus plante er den Wiederaufbau des Konzerns. Wichtigster Helfer war abermals Konrad Kaletsch.



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